Demos für Gaza: Getrennt für Frieden in Nahost

Auf drei Demos in Berlin soll in den nächsten Wochen gegen Israels Kriegsführung protestiert werden

Festnahme während einer propalästinensischen Demo: Häufig kommt es bei solchen Veranstaltungen zu Repressalien und Polizeigewalt.
Festnahme während einer propalästinensischen Demo: Häufig kommt es bei solchen Veranstaltungen zu Repressalien und Polizeigewalt.

Akteure des Bündnisses Sahra Wagenknecht haben der Linkspartei in den vergangenen Wochen immer wieder mangelnde oder gar fehlende Solidarität mit den unter der israelischen Kriegsführung in Gaza leidenden Menschen vorgeworfen. Angriffspunkte bot die Partei dadurch, dass eine von ihr bereits im Juni für Juli angekündigte Großdemonstration für ein Ende des Kriegs in Gaza immer wieder verschoben wurde und dass in ihr Debatten über vermeintlichen Antisemitismus im Zusammenhang mit der Solidarität mit Gaza toben.

Nun ruft sie mit zu einer Demo und Kundgebung am 27. September auf, deren Initiator*innen Aktivist*innen mit palästinensischen Wurzeln sind und die unter anderem von Amnesty International und der Hilfsorganisation Medico International veranstaltet wird. Motto der Kundgebung: »All Eyes on Gaza – Stoppt den Genozid!« Eine weitere Demo plant die Friedensbewegung für den 3. Oktober.

Das BSW hatte bereits vor einigen Wochen zu einer eigenen Kundgebung am 13. September, also zwei Wochen vorher eingeladen. Am Montag erläuterten Parteigründerin Sahra Wagenknecht, der Komiker und Schauspieler Dieter Hallervorden und der Rapper Massiv in Berlin ihre Motive, sich an der Veranstaltung unter dem Motto »Stoppt den Völkermord in Gaza! Keine Waffen in Kriegsgebiete! Frieden statt Wettrüsten!« zu beteiligen. Hallervorden betonte, angesprochen auf die Kundgebung zwei Wochen später, er begrüße alle Aktivitäten für Frieden in Gaza, aber auch der Ukraine.

Wagenknecht wie auch Hallervorden sprachen derweil auch viel über die Lage in der Ukraine. Die BSW-Chefin betonte zunächst, »das Grauen« in Gaza lasse sich »in keiner Weise als Selbstverteidigung nach dem Massaker der Hamas, das wir natürlich auch verurteilen«, rechtfertigen. Es gehe bei der Kundgebung am Samstag aber auch »um Frieden in Europa« und darum, sich gegen die »wahnwitzige Hochrüstung« insbesondere in Deutschland und den Nato-Staaten zu stellen.

Aus der Fokussierung auf den Kriegsschauplatz Ukraine erklärt sich, dass zu den Initiatorinnen und Rednerinnen am 13. September auch die Russland-Expertin Gabriele Krone-Schmalz gehört. Weiter soll es Redebeiträge per Videoschalte von dem deutsch-israelischen Soziologen Moshe Zuckermann und dem Musiker Roger Waters geben. Waters wurde wiederholt Antisemitismus vorgeworfen, unter anderem, weil er in der Vergangenheit ein Schwein mit dem Davidstern als Inkarnation des Bösen bei Auftritten verwendet hatte, Unterstützer der BDS-Bewegung ist und Künstler zum Boykott von Veranstaltungen in Israel aufruft.

Wagenknecht wies die Vorwürfe gegen Waters auf Nachfrage zurück und betonte, sie würde sich »nie mit jemandem zusammenschließen, der das Existenzrecht Israels in Frage stellt«. Auf der vom BSW initiierten Kundgebung würden Ordner dafür sorgen, dass keine »verbotenen Symbole« beziehungsweise solche der Hamas, des Islamischen Staates oder iranische Flaggen gezeigt würden. Wagenknecht betonte zugleich, es werde in Israel und Palästina keinen Frieden ohne eine Zweistaatenlösung geben. Die israelische Regierung tue jedoch alles, um eine solche dauerhaft unmöglich zu machen.

Eine von einem Journalisten erbetene Positionierung zur zunehmenden Polizeigewalt gegen Teilnehmende von palästinasolidarischen Demonstrationen lieferte Wagenknecht nicht. Sie erklärte lediglich, sie hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei bei ihrer Veranstaltung.

Derweil sprach die Linke-Ko-Chefin Ines Schwerdtner am Sonntag auf einer Kundgebung der »Israelis for Peace« in Berlin, die ein Ende des Genozids an den Palästinensern, Sanktionen gegen Israel und die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die Bundesregierung forderten.

Innerhalb der Linken sorgen seit einer Woche Äußerungen von Bodo Ramelow über vermeintlichen linken Antisemitismus für Empörung. Der Vizepräsident des Bundestages hatte am 2. September in einem Interview für einen Podcast des ZDF-Kanals »Funk« gesagt, eine »junge Aktivistin« habe ihm »den ganzen Tag diese Hamas-Scheiße in den internen Chats geschickt«. Und weiter: »Es kam immer wieder ein getötetes Kind, und daran ist die israelische Armee schuld.« Er habe dazu gesagt: »Merkst du gerade, dass du auf dem Weg bist zu sagen: Der Jude frisst Kinder?« Da sei man »wirklich am Antisemitismus des NS«.

Dagegen, dass der frühere Thüringer Ministerpräsident auf diese Weise Empörung über dokumentierte Kriegsverbrechen an Kindern so als judenfeindlich denunzierte, wandten sich etliche Bundestagsabgeordnete. Nach Angaben des Kinderhilfswerks Save The Children vom Wochenende wurden in Gaza seit Kriegsbeginn mehr als 20 000 Kinder durch israelische Militäraktionen getötet und mindestens 42 000 weitere verletzt. Von diesen bleibt demnach mehr als die Hälfte dauerhaft geschädigt.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke erklärte auf der Plattform X: »Das Trauern über ermordete palästinensische Kinder in Zusammenhang mit dem Antisemitismus der Nazis zu bringen, ist inhaltlich falsch und beschämend gegenüber den Opfern.« Auf einer Veranstaltung am Wochenende in Dortmund distanzierte sich auch die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, inhaltlich von den Aussagen Ramelows. Sie nannte sie »hochproblematisch«. Sie könne das Gesagte »nicht nachvollziehen«. Sie sei sicher, dass es Ramelow leid tue. Es frustriere sie, dass er »das viele Gute«, das er für die Partei getan habe, »mit so was wieder einreißt«. Allerdings wolle sie den Genossen auch »niemandem zum Fraß vorwerfen«, so Reichinnek.

Ramelow selbst will sich allerdings offenbar keinen Nachfragen stellen. Eine Interviewanfrage von »nd« vom 3. September ließ sein Büro auch nach telefonischer Nachfrage bis zum Montagnachmittag unbeantwortet. In dem Interview erklärte er auch: »Die Bilder von Gaza sind im Moment schwer erträglich, und zwar auch für die, die solidarisch an der Seite von Israel stehen.« Auf Instagram postete er am 4. September die Aussage, er sei solidarisch »mit allen Zivilist*innen«, wolle »Frieden für Israel und Palästina« und trete »für eine Zweistaatenlösung nach UN-Teilungsplan« ein.

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