SPD-Wahlkampf: »Kommunalpolitik ist Champions League«

Früher war die Stimmung besser: zu Besuch beim SPD-Wahlkampf in Duisburg

Bärbel Bas, Vorsitzende der SPD, engagiert sich im Wahlkampf in ihrer Heimatstadt Duisburg.
Bärbel Bas, Vorsitzende der SPD, engagiert sich im Wahlkampf in ihrer Heimatstadt Duisburg.

Ein Juso verteilt eifrig Werbematerial. Ein anderer kümmert sich rührend um ein paar Kinder. Ein Dritter beantwortet ein wenig fernab der Kandierenden für den Rat der Stadt Duisburg, dem Oberbürgermeister und der SPD-Parteichefin Bärbel Bas Fragen, wieso man im Duisburger Süden noch die Sozialdemokraten wählen soll. Es ist Sonntagmittag im Biegerpark, der Wahlkampf biegt in die Schlusskurve ein. Noch einmal versammeln sich einige Ratskandidaten mit den größeren und großen Namen in der Partei, wollen Stärke und Zusammenhalt ausdrücken, bei Bier, Bratwurst und Spiel. Heute soll es um die Jugend und Kinder gehen. Die Sozialdemokraten nennen es Spielplatztour. »Wir haben eigens unser Spielmobil mitgenommen«, sagt Stadtrat Dieter Lieske und zeigt auf einen kleinen Silberfarbenen Transporter mit SPD-Aufschrift. Sie wollen so für sich noch einmal die Werbetrommel rühren.

Die Umfragen lassen indes eher nicht auf einen Sieg der SPD in NRW schließen. Viel bessere Karten hat die CDU, NRW ist trotz des Ruhrgebiets eher konservativ-bürgerlich. Im Ruhrgebiet haben seit vielen zurückliegenden Wahlen nun viele Angst, dass die Herzkammer der Sozialdemokraten, wie es immer so schön heißt, blau werden könnte, also die AfD hier stärkste Kraft wird – zumindest mancherorts. Die Sorge teilt auch Lieske. Spricht von »brauner Soße, die leider stärker wird«.

Die SPD will trotz Kritik an ihrem Politikstil viel mehr bieten als die AfD. Und sie vermittelt im gesamten Wahlkampf mehr Geschlossenheit als bei der Bundestagswahl im Februar. Das sagen sie in Duisburg, Essen und Dortmund. Auch Nina Gaedike, Landesvorsitzende der NRW-Jusos. Von allgemeinem Abgesang der Sozialdemokratie will sie nichts hören. »Das hat wenig gemein mit der Realität vor Ort hier in Nordrhein-Westfalen«, meint sie im Gespräch. Hier sei die Basis, hier würden jeden Tag Tausende Jusos und Genoss*innen dafür eintreten, dass es sozial zugehe in den Kommunen, dass Frauenhäuser finanziert würden, dass man sich die Miete leisten könne, dass es Azubiwohnheime gebe, dass der ÖPNV alle zehn Minuten fahre.

Massive, milliardenstarke Investitionen in dieser lange vernachlässigten Region und eine merkliche Verbesserung der Situation der Menschen fordert die SPD, die besonders in den einstigen Arbeitervierteln im Ruhrgebiet von der AfD bedroht wird. »Wir brauchen höhere Löhne, niedrigere Mieten, bessere Bildungsangebote und allgemein einen Aufwärtstrend im Leben«, sagt Gaedike.

Von dieser »klaren sozialen Linie« ist bei einigen SPDlern schon lange nichts mehr vorhanden. In Duisburg, das sagt die Konkurrenz, habe die SPD, die im Rat gemeinsame Dinge mit der CDU macht, flächendeckend versagt. »Nein, haben wir nicht«, sagt Lieske. »Wir haben viel erreicht und das bei kaum finanziellen Spielräumen in Duisburg.« Unisono hört man im Wahlkampf, dass die SPD die Kümmerer-Partei sei, und sich nach wie vor für die Leute vor Ort am meisten interessiere. Deshalb sagt Gaedike: »Die kommunale Ebene ist die Champions League der Politik.«

Nur sehen das gerade die jüngeren Wähler unter 35 anders. Sie trauen selbst der rechtsextremen AfD mehr Problemlösungskompetenz zu als der SPD. Das lässt Juso-Chefin Gaedike natürlich nicht gelten: »Ich sehe, dass Menschen viel mit der Sozialdemokratie anfangen können – und mit der einfachen Haltung, dass jeder und jede ein gutes Leben in einer schönen Kommune verdient hat und man da, wo man sich zuhause fühlt, aufeinander achtgibt.«

Frederick Cordes ist Generalsekretär der SPD in NRW. Er sagt, dass er optimistisch auf die Kommunalwahlen am 14. September blicke. »In ganz NRW treffe ich auf SPD-Mitglieder, die über sich hinauswachsen. Sie klingeln an Haustüren, hängen Plakate und stehen an Infoständen.« Oder organisieren Spielplatzfeste wie im großen Biegerpark. Cordes wird ernst zum Schluss des Gesprächs. Es müsse darum gehen, wie »demokratische Parteien in den Gegenden Vertrauen zurückgewinnen können, in denen die AfD stark abschneidet.« Seine Parteivorsitzende, Bärbel Bas, kann sich mittlerweile ein AfD-Verbot gut vorstellen. Cordes sagt: »Das Zurückgewinnen gelingt nur mit massiven Investitionen und indem wir den Verfassungsauftrag gleichwertiger Lebensverhältnisse endlich ernst nehmen.«

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