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Verhärtete Fronten in der Brauerei Oettinger
Schlichtung bei Oettinger scheiterte aufgrund möglicher Verlängerung der Wochenarbeitszeit
Die Ursprungsversion hätte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) noch unterschrieben. Den jüngsten Schlichtervorschlag akzeptierte die Tarifkommission nicht. Er habe »weitere gravierende Verschlechterungen für die Beschäftigten« vorgesehen, so die NGG. Besonders verärgert zeigt sich die Gewerkschaft über eine mögliche einseitige Verlängerung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit. Laut der finalen Schlichtungsempfehlung könnte der drittgrößte Bierbrauer Deutschlands die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden für sechs Monate im Jahr erweitern.
Derzeit liegt die Arbeitszeit an den vier Oettinger-Standorten mit gut 850 Beschäftigten bei 37 oder 38 Stunden pro Woche. Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit soll nach Angaben der Brauerei in der Hochsaison im Sommer möglich sein, um der saisonalen Nachfrage nach Bier gerecht zu werden. »Die Brauerei schließt in Braunschweig einen Betrieb und setzt 150 Leute vor die Tür. In den anderen Betrieben sollen die Leute jetzt die Knochen hinhalten und länger arbeiten«, ärgert sich Tim Lubecki von der NGG. Das Werk in Braunschweig soll bereits Ende Dezember dichtgemacht werden.
»Die Brauerei schließt in Braunschweig einen Betrieb und setzt 150 Leute vor die Tür. In den anderen Betrieben sollen die Leute jetzt die Knochen hinhalten und länger arbeiten.«
Tim Lubecki NGG
Sowohl bei den Tarifverhandlungen als auch beim Treffen der Schlichtungskommission am 21. Oktober soll die Geschäftsleitung der Oettinger Brauerei keinen Einigungswillen erkennen gelassen haben, der Vertreter der Geschäftsführung zudem das Schlichtungstreffen bereits am Nachmittag verlassen haben. Er wirft der NGG hingegen Inkompetenz in der Verhandlungsführung vor. Konkreter wollte die Oettinger Unternehmensgruppe nicht werden und ließ eine »nd«-Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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Laut der NGG sei der Schlichter einseitig der Arbeitgeberseite gefolgt. »Das Schlichtungsverfahren unter dem Vorsitz des Juristen Benedikt Hövelmann war langwierig und teilweise verwirrend«, schreibt die NGG in einer Mitteilung.
Hövelmann hatte Ende Oktober einen ersten Einigungsvorschlag gemacht. Der sah neben einer Lohnerhöhung von 2,8 Prozent bis Ende Oktober 2026 auch Verschlechterungen bei der sozialen Absicherung, den Ausschlussfristen und der Bezahlung von Pausen im Dreischichtbetrieb vor, moniert die NGG.
»Wir waren bereit, diese Kröten zu schlucken und haben deswegen zugestimmt«, erklärt NGG-Verhandlungsführer Lubecki. Die ursprüngliche Forderung der NGG für die Beschäftigten bei Oettinger sah eine Erhöhung der Entgelte um 6,6 beziehungsweise 8,2 Prozent sowie eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 200 Euro und die Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen der Ausbildung vor.
Wie immer nach gescheiterten Verhandlungen endet auch die Friedenspflicht.
Üblicherweise führen die Gewerkschaften danach eine Urabstimmung durch, um anschließend unbefristet zu streiken. Zu Streikplänen äußerte sich die NGG »nd« gegenüber nicht. Sie signalisiert, weiterhin offen für eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu sein. Die Großbrauerei Oettinger hält hingegen am Schlichterspruch fest.
Bis zu einem neuen Abschluss gelten die tarifvertraglichen Regelungen der alten und von Oettinger gekündigten Manteltarifverträge für die NGG-Mitglieder. Das ist für die Mitarbeiter eine rechtlich schwierige Lage, da von der Regelung auch zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden könnte. Den finalen Schutz böten dann nur noch die individuellen Arbeitsverträge, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse und -rechte führen kann.
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