Wettlauf gegen den Kohleausstieg

Umwelthilfe und Greenpeace gehen juristisch gegen die Umstrukturierung der Lausitzer Energie AG vor

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Kraftwerk Schwarze Pumpe: Der für 2028 geplante Kohleausstieg wirft seine Schatten voraus.
Am Kraftwerk Schwarze Pumpe: Der für 2028 geplante Kohleausstieg wirft seine Schatten voraus.

»Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit«, sagt Karsten Smid von Greenpeace. Ihm zufolge wollen die Eigentümer der Lausitzer Energie AG (Leag) »die profitablen Filetstücke aus dem Konzern herausschälen«, damit diese nicht mehr aufkommen müssten für die Kosten der Rekultivierung der Braunkohletagebaue im Lausitzer Revier. »Damit wird das Verursacherprinzip ausgehebelt«, warnt Smid. Am Ende müsste die Allgemeinheit die Zeche bezahlen.

Um das zu verhindern, reichte die Deutsche Umwelthilfe mit Unterstützung von Greenpeace Eilanträge bei den Verwaltungsgerichten Cottbus und Dresden ein. Die Gerichte sollen das brandenburgische Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe sowie das sächsische Oberbergamt dazu verpflichten, die Umstrukturierung der Leag zu untersagen.

So solle verhindert werden, dass die Leag die absehbar hohen Kosten der Renaturierung in Zukunft nicht tragen könne und der Staat einspringen müsste. Durch eine strategische Neuordnung des Konzerns würden dem für die Rekultivierung zuständigen Teil des Unternehmens Vermögenswerte von mehr als zwei Milliarden Euro entzogen werden, argumentieren Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace. Das haftende Eigenkapital der Lausitz Energie Bergbau AG solle um 82 Prozent reduziert werden. Die zukunftsfähigen Geschäftsbereiche, die sich heute schon um Windräder und Solaranlagen kümmern, würden ausgegliedert. Das langfristige Sicherungskonzept, das auf Einnahmen aus solchen Bereichen beruhe, würde damit faktisch wertlos.

Dieses Manöver sei ein »Lehrbuchbeispiel für finanzielle Verantwortungslosigkeit für Umwelt- und Klimaschäden«, meint DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Er spricht von der »Milliardenfalle Braunkohlesanierung«.

»Die Leag will profitable Geschäftsbereiche abspalten – mit der Gefahr, dass die finanziellen Risiken der Braunkohle auf die Allgemeinheit abgewälzt werden könnten.«

Clemens Rostock Grünen-Landeschef

Wie teuer es werden kann, zeigt die Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV). Sie betreut die alten DDR-Tagebaue, die bald nach der Wende stillgelegt worden sind. Finanziert von Bund und Ländern gab die LMBV bis 2024 schon rund 13 Milliarden Euro für die Rekultivierung aus. Für die privatisierten Tagebaue, aus denen nach der Wende noch lange weiter Braunkohle gefördert wurde, ist die Leag zuständig. Darunter befindet sich der Tagebau Jänschwalde, in dem der reguläre Betrieb erst 2023 endete. Die Leag entstand 2016, nachdem der tschechische Energie- und Industrieriese EPH dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall seine deutsche Braunkohlesparte abgekauft hatte.

Brandenburgs Wirtschaftsministerium schätzte 2017 die auf die Leag zukommenden Kosten auf drei Milliarden Euro, der Bund für Umwelt und Naturschutz rechnete dagegen mit bis zu zehn Milliarden. Die Leag hat stets beteuert, die notwendigen Rücklagen zu bilden. Bis zum Kohleausstieg 2038 könnte noch einiges Geld in diesen Topf fließen – es sei denn, das Geschäft mit der Braunkohle würde sich schneller als gedacht nicht mehr lohnen.

»Es ist folgerichtig, dass nun die Justiz eingeschaltet wird«, kommentiert Brandenburgs Grünen-Landesvorsitzender Clemens Rostock. Seit Jahren gebe es Warnsignale. Auch Rostock glaubt: »Die Leag will profitable Geschäftsbereiche abspalten – mit der Gefahr, dass die finanziellen Risiken der Braunkohle auf die Allgemeinheit abgewälzt werden könnten.«

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Als die Leag Ende Januar über die anlaufende Umstrukturierung informierte, versicherte sie, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Rückstellungen »uneingeschränkt gesichert« blieben. Auf nd-Nachfrage sagt Sprecher Thoralf Schirmer am Dienstag: »Wir sehen keine sachliche Grundlage für die Klage von Greenpeace und DUH. Unsere Braunkohlesparte bleibt auf absehbare Zeit das operative und finanzielle Rückgrat der Leag-Gruppe und behält auch in der neuen Unternehmensstruktur die notwendige Finanzausstattung.«

Schirmer bekräftigt, die Absicht sei eine ganz andere. Vorstandschef Adi Roesch hatte bereits im April erklärt: Mit der Trennung von Braunkohle- und Neugeschäft mache man die eigenen Projekte der grünen Energie für Investoren und Kreditgeber attraktiv, die an eine Kohleausstiegs-Politik gebunden seien. So gibt es die Leag Renewables GmbH für Windkraft und Solarenergie und weitere Tochterfirmen für wasserstofffähige Kraftwerke und Biomasse.

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