Alternativen zum Wettbewerb?

EU-Finanzminister ringen mit US-Handelspolitik – linke Ökonomen suchen neue Wege

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Alternativlos? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plant die EU mithilfe von Subventionen und Aufrüstung konkurrenzfähig zu halten.
Alternativlos? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plant die EU mithilfe von Subventionen und Aufrüstung konkurrenzfähig zu halten.

Wenn sich am Montag linke Wirtschaftswissenschaftler in Athen zum Jahrestreffen der Euromemo-Gruppe treffen, werden sie zuvor interessiert nach Kopenhagen geschaut haben. In der dänischen Hauptstadt fand das zweitägige Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister statt. Deutschland wird von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) vertreten. Was eigentlich Routine ist. In der Regel trifft der Bundesfinanzminister einmal im Monat seine Ministerkolleginnen und -kollegen.

Doch dieses Mal könnten die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Es geht nicht nur um die weiterhin im Raum stehende, eher symbolpolitische Idee, das gesperrte Auslandsvermögen der russischen Zentralbank an die Ukraine zu übergeben. Vielmehr wird sich die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union drehen, sowie um die schwächelnde Produktivität der Industrie und die wirtschaftliche »Resilienz«, also Widerstandsfähigkeit.

Der Elefant im Konferenzraum heißt US-Präsident Donald Trump samt seinem umstrittenen »Deal« mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Für die meisten Produkte aus der EU, die in die USA exportiert werden, gelten nun Zölle von 15 Prozent, während US-Produkte zollfrei auf den europäischen Markt kommen. Diese Übereinkunft wird von vielen Regierungsvertretern als herbe Niederlage für die Europäische Union gewertet.

Langfristig wird es sich auch strategisch negativ auswirken, dass die EU im Cyber- und Technologiebereich massiv von den USA abhängig bleibt. Dies betrifft unter anderem Zahlungsdienstleister, soziale Medien, Unterseekabel, Satelliten, Cloud-Dienste und Sicherheitsupdates für Computer.

Keine großen Schritte erwartet

Von der Tagung in Kopenhagen erwarten Beobachter aber keine großen Fortschritte. Die EU-Minister dürften kleine Schritte auf dem sich abzeichnenden Weg gehen, um die sogenannte Resilienz zu steigern. Da ist die seit Langem vorangetriebene Kapitalmarktunion, mit der ein grenzenloser Binnenmarkt für Investoren und Aktienfinanzierungen nach dem Vorbild der USA geschaffen werden soll – in Ergänzung zur in der EU vorherrschenden bankbasierten Kreditfinanzierung.

Die EU-Kommission will zudem die Produktivität in der Industrie mit Subventionen fördern. Für die Aufrüstung steht ebenfalls viel Geld bereit. Zusammen mit dem nächsten Finanzrahmen der EU-Kommission ab 2028, sollen die EU-Staaten ihr Militär mit insgesamt rund 800 Milliarden Euro stärken. Der Zoll-Deal mit Trump wird auch als Eingeständnis dafür interpretiert, wie abhängig viele europäische Militärs von US-Waffenlieferungen sind.

Beim Kopenhagen-Gipfel waren dieses Mal die nationalen Notenbankchefs und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, dabei. Der Internationale Währungsfonds war ebenfalls vor Ort und schlug Strukturreformen vor, um die Wirtschaft in der EU global wettbewerbsfähiger zu machen.

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Pünktlich zum Gipfel hatten die Spitzen deutscher Konzerne, wie der Industrieverband BDI und die Arbeitgeberlobby BDA, ihren Forderungskatalog an von der Leyen adressiert. Sie verlangen weniger Bürokratie, Freihandelsverträge wie Mercosur mit lateinamerikanischen Ländern sowie Verträge mit Indien und Malaysia und die Stärkung der wirtschaftlichen »Resilienz« der EU.

Linker Ökonomengipfel in Athen

Um Resilienz in einer »multipolaren Welt« wird es ebenfalls auf dem Ökonomen-Treffen der Euromemo-Gruppe gehen. Doch der Tenor der überwiegend links-keynesianischen Wirtschaftswissenschaftler wird ein anderer sein. Die jüngsten Entwicklungen zeigten, dass »Interventionen des Staates in die Wirtschaft mehr die Regel als die Ausnahme seien«, heißt es kritisch in einem Arbeitspapier. Ob dies das Ende der neoliberalen Ära sei, gilt in der Euromemo-Gruppe allerdings als umstritten.

Neben der neuen Rolle des Staates in der Union wird in Athen in neun Sitzungen unter anderem auch die Militarisierung der EU thematisiert. Ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung stehen alternative Wirtschaftsformen und »die Notwendigkeit von Planung im Kontext der sozial-ökologischen Transformation«. Der wohl prominenteste Teilnehmer ist der ehemalige griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos. International bekannt wurde er als Chefunterhändler in den Verhandlungen mit der EU während der griechischen Staatsschuldenkrise.

Der marxistische Wirtschaftswissenschaftler Jörg Huffschmid hatte diese Arbeitsgruppe mit Ökonomen aus Europa im Jahr 1995 gegründet. Bis zu seinem Tod galt der Bremer Professor als treibende Kraft der »European Economists for an Alternative Economic Policy in Europe«. Das aktuelle, 62 Seiten starke »Euro-Memorandum 2025« erscheint auf Englisch, Italienisch und Griechisch.

Weitere Informationen zur Tagung der Euromemo-Gruppe in Athen und zum »Euro-Memorandum 2025« können in englischer Sprache hier nachgelesen werden.

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