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Steffen Baumgart als Wiederholungstäter
Union Berlin Stürmer Oliver Burke sorgt gegen Eintracht Frankfurt für die Tore – der Trainer für die Schlagzeilen
Irgendwann sah auch das noch richtig gekonnt aus: auf Knien über den Rasen rutschen und die Hand zum Gruß an die Stirn führen. Oliver Burke war auch beim Torjubel zum Auswärtssieg vom 1.FC Union Berlin bei Eintracht Frankfurt nicht zu halten. Dass er nach dem 4:3-Erfolg einen Spielball zum Mannschaftsbus mitschleppte, konnte dem 28-Jährigen niemand verdenken. Ein Dreierpack in der Profikarriere war ihm noch nie geglückt. Bei jedem seiner Treffer entwischte der flotte Schotte der fahrigen Frankfurter Abwehr, jedes Mal hatte ihm Sturmpartner Andrej Ilic geistreich das Spielgerät in den Lauf gelegt.
»Wir waren gut im Flow, die Verbindung in der Offensive war sehr gut«, flötete der im Sommer ablösefrei von Werder Bremen gekommene Burke. 3000 mitgereiste Union-Anhänger feierten einen dreifachen Torschützen und vierfachen Vorlagengeber, denn Ilic hatte ja auch noch das Führungstor von Ilyas Ansah aufgelegt. Ein eiserner Beleg, dass Union-Coach Steffen Baumgart mal wieder den perfekten Matchplan ausgeheckt hatte. Schon im März war in Frankfurt beim 2:1 ein ähnlicher Coup geglückt, wobei sich die Verhaltensmuster auf allen Ebenen ähnelten. Damals wie heute verlor der Trainer in seiner Coaching-Zone nämlich die Kontrolle.
Vor einem halben Jahr fing sich der 53-Jährige in einer ebenfalls wilden Schlussphase – Hugo Ekitiké verschoss damals in der Nachspielzeit gegen Keeper Frederik Rönnow einen Handelfmeter – wegen Reklamierens die vierte Gelbe Karte ein und versäumte deswegen die Begegnung gegen den FC Bayern. Damals lästerte er noch, es gebe mehr gesperrte Trainer als Spieler. Nun kickte der Grenzgänger mit der Schiebermütze absichtlich eine der vielen herumliegenden Papierkugeln aus der Stadion-Choreografie aufs Feld. Referee Sven Jablonski aus Bremen hatte gar keine andere Wahl, als gegen den gerade verwarnten Wüterich die Rote Karte zu zücken.
»Der Schiedsrichter hat alles richtig gemacht. Das geht komplett auf meine Kappe. Ich muss gucken, dass ich meine Emotionen besser kontrolliere«, gab Baumgart zu. »Irgendwie ist Frankfurt kein gutes Pflaster, was Sperren angeht.« Im Heimspiel am Sonntag gegen seinen Ex-Verein Hamburger SV zu fehlen, ärgere ihn doppelt: »Es war mein Fehler. Damit muss ich leben – und ich hoffe, dass es alle anderen auch können.« Was er noch loswerden wollte: »Ich habe auch schon gesehen, dass Bälle aufs Feld geflogen sind. Da gab es kein Rot, bei mir gab’s es.« Eine Anspielung auf den Kollegen Sandro Wagner vom FC Augsburg, der dafür in der Vorwoche mit Gelb davongekommen war.
Baumgart hätte sich den Querverweis besser erspart, denn die Fernsehkameras fingen noch einen weiteren Aussetzer ein, der weitaus schwerer wiegen könnte. Weil der gebürtige Rostocker nach der VAR-Intervention beim von Jonathan Burkardt verwandelten Foulelfmeter zum dritten Frankfurter Tor kurz den Mittelfinger zeigte.
Auch wenn die Geste an niemanden direkt gerichtet gewesen sein mag: Ein »Stinkefinger« hat auf dem Fußballplatz nirgendwo etwas zu suchen. Das hat schon Stefan Effenberg vor über 30 Jahren erfahren, als noch nicht jeder Winkel des Platzes ausgeleuchtet war. Der DFB-Kontrollausschuss bestätigte am Montag, den Vorgang zu untersuchen. Dazu wurde Baumgart zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Laut Regularien kann das Sportgericht immer dann nachträglich einschreiten, wenn TV-Bilder ein grobes Fehlverhalten belegen.
Auf diesen Vorfall angesprochen reagierte der impulsive Fußballlehrer in der Pressekonferenz ausgesprochen patzig: »Ich habe ins Leere geguckt, das ging in keine Richtung, also alles gut. Das war eine Emotion, die ich aufgrund des Videobeweises und der vorherigen Situation hatte.« Es wird die Frage sein, ob die DFB-Kontrolleure dieser brüchigen Argumentation folgen. Wird die Geste als grobe Unsportlichkeit gewertet, könnte die Auszeit für den emotionalen Anführer aus Köpenick länger dauern. Erschwerend kommt ja hinzu, dass es sich um einen wenig einsichtigen Wiederholungstäter handelt.
Besserung wollte und konnte Baumgart am Sonntag nämlich nicht versprechen: »Wer jetzt eine Entschuldigung erwartet, oder dass ich sage, beim nächsten Mal mache ich es besser – da bin ich zu emotional, um eine 100-prozentige Sicherheit zu geben.«
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