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Im Sturm ins Parlament: CDU steht zur Ausbildungsplatzumlage
Wirtschaftsverbände schlagen angesichts der drohenden Ausbildungsplatzumlage Alarm
Bevor der Gesetzentwurf zur Ausbildungsplatzumlage am Donnerstag ins Abgeordnetenhaus eingebracht wird, blies die Berliner Wirtschaft noch mal zum Angriff. In einem offenen Brief samt Pressekonferenz appellieren verschiedene Verbände, darunter die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Unternehmensverbände, die Handwerkskammer und der Bundesverband Deutsche Start-ups, »die Pläne zur Einführung der sogenannten Ausbildungsplatzumlage nicht weiter zu verfolgen«.
Die vorgetragenen Argumente erinnern zum Teil an Aussagen des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) vom April, als die von Cansel Kiziltepe (SPD) geführte Senatsverwaltung für Arbeit die Fertigstellung eines ersten Gesetzentwurfs bekannt gab. »Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet«, hatte Wegner damals mitgeteilt.
Doch die CDU erteilt möglichen Zweifeln, wonach die Fraktion angesichts des Widerstands aus der Wirtschaft vom Vorhaben abrücken oder das Gesetz verzögern könnte, eine Absage. Gegenüber »nd« erklärt der Fraktionssprecher für Arbeit, Martin Pätzold: »Meine Fraktion wird sich an den Koalitionsvertrag halten, das heißt nach wie vor: Entweder bis zum Jahresende 2000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen oder die gesetzliche Ausbildungsplatzumlage einführen.«
Im Koalitionsvertrag war vereinbart, umgehend nach der Regierungsbildung 2023 mit der Vorbereitung des Gesetzes zu beginnen. Die betriebliche Ausbildung ist Schwarz-Rot angesichts von Fachkräftemangel und einer geringen Ausbildungsquote ein zentrales Anliegen. Das Gesetz kommt, wenn die zusätzlichen Ausbildungsplätze ausbleiben, hatten die Fraktionen auch noch mal auf ihrer Klausur im Juli bestätigt. Das Prinzip der Umlage ist recht simpel: Alle Unternehmen zahlen in einen Fonds ein. Diejenigen, die ausbilden, bekommen Geld zurück. Dabei können Unternehmen mit verhältnismäßig vielen Auszubildenden am Ende mehr aus dem Fonds zurückbekommen, als sie eingezahlt haben.
»Meine Fraktion wird sich an den Koalitionsvertrag halten.«
Martin Pätzold (CDU)
Fraktionssprecher für Arbeit
»Als Fraktionen bringen wir den Gesetzentwurf als Diskussionsgrundlage am Donnerstag ins Abgeordnetenhaus ein«, sagt CDU-Mann Pätzold, dessen Name sich genauso unter dem Gesetzestext findet wie der vom Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner. Dann werde es wie üblich Anhörungen geben, in denen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände Stellung beziehen können. Diese Anhörungen seien bereits in Vorbereitung, so Pätzold.
Auch den bisher avisierten Zeitplan hält Pätzold für gangbar. Die zweite Lesung samt Abstimmung ist für das erste Quartal 2026 geplant. Vollends zur Anwendung kommen soll das Gesetz dann 2028. Zu möglichen Verzögerungen könnte es kommen, sollten Zweifel an der Verfassungskonformität des Gesetzes bestehen. Entsprechende Stimmen habe er zwar schon vernommen, sagt Pätzold. »Konkret liegt mir dazu bisher noch nichts vor. Sollte da aber was kommen, werden wir uns das genau anschauen«, so der CDU-Politiker. Der Staatsgerichtshof Bremen hatte der dortigen Umlage die Verfassungskonformität zugesprochen, nachdem Unternehmensverbände geklagt hatten. Ein Teil der Bremer Wirtschaft klagt dennoch weiter, diesmal gegen die konkrete Abgabe. 340 und damit fünf Prozent aller Bremer Unternehmen haben bisher Klage eingereicht.
Die Berliner IHK warnt vor einem ähnlichen Szenario. »Dadurch wird kein einziger Ausbildungsplatz entstehen«, sagte Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner. Tatsächlich ist die klare Zielsetzung, die mit dem Gesetz verfolgt wird, »das Angebot an Ausbildungsplätzen zu erhöhen«, bemerkenswert. Dass eine branchenübergreifende Umlage oder ein Fonds das leisten kann, ist umstritten und bisher nicht belegt. In Bremen soll mit dem eingenommenen Geld die Ausbildung auch qualitativ durch Beratungs- und Unterstützungsangebot gestärkt werden. Das ist im Berliner Entwurf explizit ausgeschlossen. Auch gibt es bisher keine Pläne für den Fall, dass die Umlage nicht zum gewünschten Ergebnis führt und die Zahlen weiter stagnieren.
»Es kursieren viele Mythen und falsche Berechnungen über die Ausbildungsplatzumlage.«
Cansel Kiziltepe (SPD)
Senatorin für Arbeit und Soziales
Zuletzt waren die Pläne am Beispiel der landeseigenen BVG in die Kritik geraten. Das Unternehmen hatte für sich eine Jahresdifferenz von 660 000 Euro errechnet, die sie verlieren würde, obwohl das Unternehmen mit insgesamt 16 500 Mitarbeiter*innen 483 Menschen ausbilde. »Es kursieren viele Mythen und falsche Berechnungen über die Ausbildungsplatzumlage. Sie dienen dazu, Unternehmen zu verunsichern und Ängste zu schüren«, sagt Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Berechnungen ihres Hauses zufolge, die »nd« vorliegen, sei für die BVG stattdessen ein Jahresüberschuss von 800 000 bis 900 0000 zu erwarten. Die Arbeitsverwaltung geht dabei von einem jährlichen Kostenausgleich von 7000 bis 8000 Euro aus, den ein Unternehmen pro Auszubildenden bekommt und von einer Abgabe in Höhe von 0,24 bis 0,28 Prozent der Bruttolohnsumme. Fest stehen diese Zahlen aber noch nicht. Die Verwaltung erklärt, genaue Vorgaben erst nach Inkrafttreten des Gesetzes machen zu können, da die Unternehmen erst dann alle relevanten Daten zur Verfügung stellen müssten.
Der CDU-Abgeordnete Pätzold verweist auf mögliche Änderungen, die im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch vorgenommen werden könnten: »Im Gesetz sind eine Reihe von Rechtsverordnungen vorgesehen, die der Senat erlassen soll, bei denen ich noch Spielraum sehe.« So etwa bei der Höhe der Abgabe, die das Unternehmen zu leisten hat. Die wird auf bisher »höchstens 0,5 Prozent der Arbeitnehmerbruttolohnsumme« beziffert. Weiterhin nennt Pätzold die Bagatellgrenze, bis zu welcher Höhe der Bruttolohnsumme ein Unternehmen von der Umlage ausgenommen ist. Die sei bisher noch unbestimmt. »Das sollten wir noch nacharbeiten«, sagt Pätzold.
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