- Kommentare
- Energie Cottbus, TSV 1860 München und Lok Leipzig
Rassismus im Fußball: Ein Hoch auf die Stadion-Antifa
Christoph Ruf über rassistische Vorfälle auf und neben dem Fußballplatz
Am vorletzten Spieltag der 3. Liga ist der Cottbuser Spieler Justin Butler von einem Münchner Zuschauer rassistisch beleidigt worden. Als sie mitbekommen hatten, was passiert war, riefen weite Teile des Publikums »Nazis raus«. Zuvor hatte es eine deutliche Durchsage des Stadionsprechers gegeben; der rassistische Rufer war zu diesem Zeitpunkt längst dingfest gemacht.
So muss das sein; doch so ist es oft nicht einmal, wenn statt 15 000 Menschen wie bei 1860 München 150 Leute zusammen sind. Was würde passieren, wenn Affenlaute bei einem Volksfest zu hören wären, in der Fußgängerzone oder sonst irgendwo im Stadtbild? Strafende Blicke sind möglich, im Festzelt sogar, dass Trinkkumpan A väterlich den Arm um B legt und ihm ins Ohr flüstert, er möge sich doch hier in der Öffentlichkeit ein wenig mäßigen. Mit höherer Wahrscheinlichkeit würde es aber schlicht ignoriert.
Wer jetzt behauptet, dass der Fußball in manchen Bereichen weiter ist als der Rest der Gesellschaft, war am vergangenen Wochenende möglicherweise in irgendeinem Stadion. Wer widerspricht, konsumiert eher medial vermittelten Fußball. Wobei: Dass vom übertragenden Sender so ausführlich (und hintergründig) über den Rassismusvorfall berichtet wurde, ist nur positiv. Zumal in einer Sportart, in der einst Hermann Neuberger DFB-Präsident war, der die Militärjunta in Argentinien sympathisch fand und dort bei der WM alte Nazis hofierte.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Beim DFB scheint man all das allerdings nicht zu wissen. Jedenfalls wurde DFB-Ehrenpräsident (!) Neuberger vom heutigen, jeder Sympathie für rechts außen unverdächtigen Präsidenten Bernd Neuendorf noch vor vier Wochen hymnisch geehrt. Auch auf der DFB-Homepage kein kritisches Wort über den »Mann mit Weitblick und Tatkraft«. Was wiederum auch insofern interessant ist, als der gleiche DFB gerade den Regionalligisten Lok Leipzig zur Zahlung von 30 000 Euro verdonnert hat, weil ein Rassist bei einem von ihm veranstalteten Spiel einen Schalker Spieler beleidigt hatte.
Lok, wo noch vor 20 Jahren ohne jede Frage einige Funktionäre mit der lokalen Naziszene kungelten, hatte anno 2025 allerdings das Gleiche gemacht wie 1860: sich klar positioniert (»Rassismus ist zum Kotzen und nicht zu tolerieren«) und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Typen zu erwischen. Das alles auch, um ein Stadionverbot aussprechen zu können. Der Verein bräuchte dazu nur den Namen des Rufers. Doch der ist bislang nicht ausfindig gemacht worden.
Wirklich nicht? In Leipzig pfeifen die Lerchen von den Dächern, dass sich der Täter bereits im Spätsommer der Polizei zu erkennen gegeben hat. Fragt man bei der nach, heißt es, man könne dazu nichts sagen: laufendes Ermittlungsverfahren. Das ist wohl zu akzeptieren. Es stellt sich allerdings die Frage, wofür das DFB-Sportgericht, das ja auch fand, dass Lok sich aufrichtig um Aufklärung bemüht und sich klar positioniert habe, den Verein dann verurteilt hat.
Mit den 30 000 Euro, viel Geld für einen Regionalligisten, können sie in Frankfurt am Main aber vermutlich etwas Sinnvolles anfangen. Ein Forschungsauftrag über Neuberger sollte damit zu finanzieren sein. Wikipedia ist sogar umsonst. Allgemeinwissen auch.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.