Werbung in Berlin? Nein danke!

Anhörung der Initiative »Berlin werbefrei« im Abgeordnetenhaus

Dass sich hinter diesem Fahrzeug die BVG und nicht die Bundeswehr versteckt, lässt sich kaum noch erkennen.
Dass sich hinter diesem Fahrzeug die BVG und nicht die Bundeswehr versteckt, lässt sich kaum noch erkennen.

Werbung an Litfaßsäulen, Haltestellen, Bauzäunen und Toilettenhäusern. Nicht zusätzlich auch noch digitale Werbung im öffentlichen Raum will eine Bürgerinitiative »Berlin werbefrei«. Seit 2017 kämpft sie dafür. Am Montag behandelte der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses einen von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf. Es zeichnete sich keine Mehrheit für das Anliegen ab.

Bereits vor der Anhörung am Montag hatte die Initiative bekannt gegeben, dass sie bei einer Ablehnung des Gesetzesentwurfs zwischen Januar und Mai 250 000 Unterschriften sammeln werde. Im August 2025 hatte die Initiative dem Senat einen Gesetzentwurf unterbreitet. Der Senat lehnte das Anliegen des Gesetzentwurfs zwar ab, erklärte das Volksbegehren jedoch für zulässig.

Laut dem Sender RBB peilt die Initiative den 20. September 2026 als Termin für den Volksentscheid an. Er würde dann zeitgleich mit der Berliner Abgeordnetenhauswahl durchgeführt werden.

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Der Kommerz stehe in Berlin »über den Interessen der Bürger«, sagt eine der Aktivist*innen bei der Anhörung. Der öffentliche Raum werde zur »billigen Werbesendung«. Als Beispiel zeigt sie Bilder von Dutzenden hintereinander aufgereihten flimmernden Werbetafeln an der Tauentzienstraße in Charlottenburg. Zu sehen sind auch Bilder von BVG-Straßenbahnen, deren gelbe Farbe durch eine Bundeswehr-Werbung an der Außenfläche kaum zu erkennen ist.

Eine weitere Aktivistin der Initiative spricht über den Einfluss von Werbung auf die Meinungsbildung. »Wer bestimmt eigentlich, womit Werbemonitore bespielt werden?«, fragt sie. Die Auswahl liege nicht beim Staat. Stattdessen gebe es zwei marktbeherrschende Unternehmen: Ströer und Wall.

Die Aktivistin verweist zudem auf eine Studie zum Thema Verkehrssicherheit. Demnach ziehe digitale Werbung im öffentlichen Raum durchschnittlich 2,38 Sekunden Aufmerksamkeit von Verkehrsteilnehmer*innen auf sich. Digitale Werbung will die Initiative im öffentlichen Raum gänzlich verbieten. Als Argument zieht sie Lichtverschmutzung sowie den hohen Energieverbrauch heran. Demnach verbrauche eine kleine digitale Werbeanlage mit zwei Bildschirmen 15 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Die Zahlen habe »Berlin werbefrei« von der Werbewirtschaft, wie Fadi El-Ghazi von der Initiative zu »nd« sagt. Dieser Stromverbrauch entspreche dem jährlichen Verbrauch von 100 Kühlschränken oder von zehn Single-Haushalten. Am Frankfurter Tor in Friedrichshain stehen fünf solcher Anlagen, allein dort also quasi 500 Kühlschränke.

Welchen Einfluss die Lichtverschmutzung auf Berliner*innen hat, veranschaulicht die Initiative am Fall einer Frau, die gegenüber vom Parkturm »We Tower« in Spandau lebt. Von diesem strahle täglich zwischen 6 und 22 Uhr Licht von Digitalwerbung in ihre Wohnung. Für Bausenator Christian Gaebler (SPD) handelt es sich hier um einen »Einzelfall«. Er betont die wirtschaftliche Bedeutung von Werbung und kritisiert die »Absolutheit« des Gesetzesentwurfs, nach dem digitale Werbung ganz verboten wäre. »Das reicht dann bis ins Stadion«, sagt er. Dagegen lobten Grüne und Linke den Gesetzentwurf.

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