Berlin: Urteil für »From the River to the Sea …«

Angeklagter vom Landgericht Berlin verurteilt – Slogan landet nun vor Bundesgerichtshof

Das Landgericht Berlin wertet die Parole als Kennzeichen der Hamas – jetzt muss der Bundesgerichtshof entscheiden.
Das Landgericht Berlin wertet die Parole als Kennzeichen der Hamas – jetzt muss der Bundesgerichtshof entscheiden.

Zum ersten Mal wird der Slogan »From the River to the Sea, Palestine will be free« vor dem Bundesgerichtshof landen. Denn am Mittwoch fiel am Landgericht Berlin ein Urteil in erster Instanz, gegen das die Verteidigung Revision einlegen will. Der Angeklagte R. wurde schuldig gesprochen, mit Verwenden des Slogans eine Straftat begangen sowie durch das Teilen von Bildern der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, die der palästinensischen Partei Fatah nahestehen, Inhalte einer terroristischen Organisation verbreitet zu haben.

Bisher hatte es nur vereinzelt Verurteilungen wegen Verwendens des Slogans und überwiegend Freisprüche gegeben. Einmal war 2024 ein Urteil vor dem Landgericht gefallen – bei derselben Richterin und demselben Staatsanwalt wie im Verfahren von R. Kern der Auseinandersetzung ist stets, ob die Losung ein Kennzeichen der Hamas ist oder nicht.

Die Wortfolge mit oder auch ohne den zweiten Teilsatz ist laut Gericht ein Kennzeichen der Hamas und deren Verwendung rufe somit zur Vertreibung, Tötung und Ausbeutung von Jüd*innen in Israel auf. R. wird zu 180 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt.

Das Bundesinnenministerium hatte die Hamas im November 2023 zu einer verbotenen Vereinigung und den Slogan ohne zweiten Teilsatz zum Symbol dieser erklärt. Ein vom Amtsgericht beauftragtes Gutachten des Berliner Landeskriminalamtes kam im Mai 2025 allerdings zu dem Schluss, dass es keine eindeutigen Belege für die regelmäßige Verwendung des Slogans durch die Hamas gibt. Stattdessen werde die Wortfolge von diversen Stimmen verwendet, sowohl historisch als auch aktuell. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch verweisen darauf. Deutschland ist das einzige Land, das den Slogan strafrechtlich verfolgt.

Doch für das Verfahren von R. mit insgesamt 13 Verhandlungstagen wurde ein neuer Gutachter befragt – der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die vom Bundeskanzleramt finanziert wird. Für die Verteidiger*innen von R., Jessica Grimm und Benjamin Düsberg, zeigt das bereits die »politische Färbung« des Gutachters.

Die Staatsanwaltschaft habe laut Düsberg am Montag vor Gericht argumentiert, dass der Wortfolge ein »eliminatorischer Antisemitismus« innewohne und dass diese nicht trennbar von der Hamas sei. Der Staatsanwalt sagt am Mittwoch, es gehe nicht darum, wie ein Großteil der Menschen die Wortfolge meine, sondern welche gesellschaftliche Wirkung die Nutzung des Slogans habe. Er vergleicht dies exemplarisch mit der Verwendung der Parole »Alles für Deutschland« durch die AfD Thüringen. Anwalt Düsberg sagt dazu, genau dieses Beispiel zeige, dass es eine »Praxis« und »Übung« als Leitspruch gebe, weil die SA die Parole nicht nur regelmäßig skandierte, sondern auch in ihren Dolchen eingraviert hatte.

Der Gutachter habe jedoch nur neun Beispiele in der 40-jährigen Geschichte der Hamas gefunden, die die Verwendung der Parole beweisen, so Rechtsanwältin Grimm. Kritik übt sie außerdem daran, dass nur die Verwendung in arabischer Sprache untersucht wurde, während eine englischsprachige Wortfolge vor Gericht verhandelt wird. Zudem sei die Wortfolge auf Arabisch nicht immer gleich.

»From the River to the Sea, Palestine will be free« komplett aus dem Diskurs zu verbannen, sei »ein Problem für die Meinungsfreiheit«, so Düsberg. Der internationale Gerichtshof und sämtliche wichtigen Menschenrechtsorganisationen sähen plausible Anhaltspunkte für einen Genozid in Gaza. Selbst wenn man das nicht anerkennen wolle, dann zumindest massive ethnische Säuberungen. »Israel macht doch gerade ernst mit diesem Slogan. Nun der anderen Seite die Verwendung der Wortfolge zu untersagen, ist doch verrückt.«

Etwa 20 solidarische Prozessbegleitende waren vor Ort. Vor dem Gericht fand eine Kundgebung statt. Während der über dreistündigen Verhandlung schallte durchweg gut hörbar »Viva, viva Palästina« durch die doppelglasigen Fenster im Hochsicherheitssaal des Landgerichts Berlin.

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