Post-Mindestlohn ist gekippt
Private Unternehmen jubeln über Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Berlin (ND/Agenturen). Betroffen sind nach Gewerkschaftsangaben rund 200 000 Beschäftigte in der Postbranche. Von einem »Sieg für den Wettbewerb« war am Donnerstag auf Seiten der Arbeitgeber die Rede. Die PIN Mail AG kündigte unverzüglich an, auf ein Lohnniveau von 8,50 Euro zurückgehen. Der Mindestlohn von 9,80 Euro pro Stunde für Zusteller sowie 8,40 Euro für Verteiler und Fahrer war von der Bundesregierung im Jahr 2007 als allgemeinverbindlich erklärt worden.
Die höchstrichterliche Entscheidung sei »ein eindeutiger Sieg für den Wettbewerb in der Brief- und Zustellbranche«, erklärte Florian Gerster, Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ), in Berlin. »Das heutige Urteil ist eine gute Nachricht, auch für unsere Mitarbeiter, Kunden und Partner«, ließ die TNT Post Deutschland verlauten. Gemeinsam mit der »Gewerkschaft der Neuen Brief und Zustelldienste« hatten einige Unternehmen vor Inkrafttreten der Postmindestlohn-Verordnung einen eigenen Tarifvertrag mit geringeren Löhnen vereinbart.
Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht sieht die Beteiligungsrechte der Kläger verletzt, ist seinem Urteil vom Donnerstag zu entnehmen. Diese, unter anderen PIN Mail und TNT sowie der Arbeitgeberverband »Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste« hatten argumentiert, der Mindestlohn gefährde ihre Existenz. Mit den Beteiligungsrechten hat das Gericht jedoch einen Fehler des Verfahrens, das zum Mindestlohn führte, kritisiert und keine Bewertung des Mindestlohns vorgenommen. Mit dem Erlass der Postmindestlohn-Verordnung habe der damalige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) die Rechte der Kläger verletzt, meint das Gericht. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sehe eine umfassende Beteiligung betroffener Unternehmen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften vor. Dies sei »nicht in dem vom Gesetz vorgeschriebenen Maße geschehen«.
Entsprechend optimistisch äußerte sich die Gewerkschaft ver.di. Ihr Vertrag mit dem von der Post AG dominierten Arbeitgeberverband Postdienste war zur Grundlage des Mindestlohns geworden. »Durch die Entscheidung ist der Post-Mindestlohn nicht aufgehoben«, betonte die ver.di-Vizevor- sitzende Andrea Kocsis. Sie forderte die Bundesregierung auf, die gerügten Formfehler zu heilen und erneut einen Postmindestlohn festzusetzen. Dieser gewährleiste einen Lebensunterhalt ohne ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Wenn die neue Bundesregierung eine Nachfolgeregelung verweigere, müsse sie sich den Vorwurf gefallen lassen, »die Beschäftigten im liberalisierten Briefmarkt der Ausbeutung auszuliefern und Steuergelder für unsinnige Sozialsubventionen hinauszuwerfen«. Das Ministerium kündigte an, Konsequenzen ziehen zu wollen, sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen.
»Das ist eine schlechte Nachricht für viele Beschäftigte«, erklärte Frank Stöhr, 1. Vorsitzender der dbb tarifunion. »Damit werden Dumpinglöhnen bei den Briefdienstleistern wieder Tür und Tor geöffnet.« Die LINKE forderte einen Mindestlohn von zehn Euro für alle Branchen. »Wegen eines Postmindestlohns schreiben die Menschen nicht weniger Briefe; die Frage ist nur, ob der Zusteller, der sie austrägt, von seinem Lohn auch leben kann«, erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende Klaus Ernst.
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