Man kann nach Gaza einreisen – theoretisch ...
... aber das palästinensische Gebiet wird von Israel für Journalisten immer mehr abgeschirmt
Um von Israel nach Gaza zu gelangen, gibt es nur zwei Wege. Der erste Weg: Man ist Diplomat, ausländischer Journalist mit israelischer Pressekarte oder Mitarbeiter einer Organisation wie der UNO. Dann kann man – theoretisch – ohne Rücksprache mit dem israelischen Koordinierungsbüro am Übergang Erez einreisen. Theoretisch. Denn die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Einreise nach Gaza selbst für diese Berufsgruppen immer wieder beschränkt wird.
Nicht nur während des Gaza-Krieges, 2009, sondern schon im September 2005 verwehrten die israelischen Behörden allen Journalisten zehn Tage lang die Einreise in den Gaza-Streifen. Begründung: die Sicherheitslage. Im Oktober 2007 durften türkische Diplomaten nicht einreisen, die mit der Gemeindeverwaltung in Beit Hanoun einen Vertrag über Entwicklungshilfeprojekte unterzeichnen wollten.
Weg Nummer zwei ist von allen zu beschreiten, die nicht unter die genannten privilegierten Berufe fallen, und sieht so aus: Zwei Wochen vor einem beabsichtigten Gaza-Besuch stellt man per Fax an das israelische Koordinierungsbüro einen Antrag. Dieser muss Namen, Geburtsdatum, Passnummer und Datum sowie Grund des Besuches enthalten. Nach etwa einer Woche kann man sich nach dem Stand der Bearbeitung erkundigen. Da meine Frau im Zeitraum 2005 bis 2008 solche Anträge für Mitarbeiter und Wohltäter der Anglikanischen Kirche in Jerusalem bearbeitete, weiß ich über das nervenaufreibende Prozedere Bescheid.
Mitunter musste meine Gattin 20 oder mehr Versuche unternehmen, bis am anderen Ende der Leitung überhaupt jemand den Hörer abnahm. Geschah dies endlich, teilte man meiner Frau nicht selten mit, es sei kein Fax eingetroffen, sie solle es deshalb per Post zuschicken. Da war es jedoch wegen des baldigen Rückflugs schon zu spät.
Mein Versuch, im Februar 2009 nach Gaza einzureisen, scheiterte, obwohl ich vorsorglich beide geschilderten Wege eingeschlagen hatte: Ich hatte einen Antrag auf die israelische Pressekarte beim Regierungspresseamt gestellt und schon Wochen vor der Reise über die Anglikanische Kirche in Jerusalem via Fax um Zustimmung ersucht. Obwohl ich dem Presseamt ein Empfehlungsschreiben der »Aachener Nachrichten« vorgelegt hatte, hielt man mich drei Wochen lang hin – bis zum Tag meiner Abreise. Während dieser Zeit rief mich eine Mitarbeiterin des Amtes gelegentlich an, um mir Fragen wie diese zu stellen: Wo erscheinen die »Aachener Nachrichten« – nur in Aachen oder auch in der Region? Welche Auflage hat die Zeitung? Worüber sollen Sie aus Gaza berichten (das stand im Anschreiben)? Weg Nummer zwei war ebensowenig erfolgreich: Ein Fax sei nie eingetroffen, erfuhr ich telefonisch.
Ein zweiter Einreiseversuch nach Gaza vor einem Monat zeitigte ebensowenig Erfolg – obwohl ich, um meine Chancen zu erhöhen, einem deutschen Journalistenverband beigetreten war und eine Woche vor meiner Abreise alle Daten der israelischen Botschaft in Berlin zukommen lassen hatte, die versprach, dem Regierungspresseamt in Jerusalem meinen Besuch zu »avisieren«. Doch weder dies noch das Begleitschreiben der Katholischen Nachrichtenagentur, für die ich einen Beitrag über die Christen in Gaza hätte liefern sollen, öffneten den Weg. Bis zu meiner Abreise nach zwölf Tagen telefonierte ich fast täglich mit Herrn Pearlmann oder Frau Aizenman im Presseamt. Immer hieß es: »Wir prüfen Ihren Fall noch.« Oder: »Sie müssen sich noch ein paar Tage gedulden.«
Es ist für mich kein Trost, dass es Kollegen wie dem japanischen Filmemacher Toshikuni Doi ähnlich ergeht. Selbst palästinensischen Bischöfen wie Suhail Dawani oder Munib Younan aus Jerusalem hat Israel die Einreise verwehrt. Gleiches gilt für den ehemaligen Erzbischof Desmond Tutu aus Südafrika oder den Altpräsidenten der USA Jimmy Carter.
Auch ich ziehe das Fazit, das ich im Gaza-Buch der Kollegin Bettina Marx fand: »Niemand soll mehr sehen, was sich im Gaza-Streifen abspielt. Die 1,5 Millionen Menschen, die hinter den unüberwindlichen Grenzen leben, sollen von der Weltöffentlichkeit vergessen werden.«
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