»Kopfgeburt ohne Debatte«

Der DGB-Regionsvorsitzende Werner Gloning kritisiert die geplante Strukturreform

  • Lesedauer: 3 Min.
Der 19. DGB-Bundeskongress tagt vom 16.-18. Mai in Berlin. Dort soll unter anderem auch eine Strukturreform des Gewerkschaftsdachverbandes beschlossen werden. An den Plänen gibt es aber interne Kritik. So bemängelt Werner Gloning, Vorsitzender der DGB-Region Allgäu-Donau-Iller und Mitglied des bayrischen Bezirksvorstandes, dass der Vorschlag kaum diskutiert worden ist.
»Kopfgeburt ohne Debatte«

ND: Was konkret ist Ihre Kritik an der Strukturreform, die auf dem am Sonntag beginnenden Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beschlossen werden soll? Der Antrag dazu stammt ja aus Ihrer Region und wurde von der DGB-Bezirkskonferenz Bayern und damit auch von den Einzelgewerkschaften mit großer Mehrheit angenommen.
Gloning: Dass man über eine Reform des DGB und seiner Gewerkschaften diskutiert, ist dringend notwendig und sinnvoll. Die Gewerkschaften müssen sich verändern. Unsere Kritik ist, dass der Diskussionsprozess um die Reform eine reine Spar- und Zentralisierungsdiskussion war. Wesentliche Fragen wurden nicht angesprochen: Was macht der DGB und was die Gewerkschaften? Wie kann man die Effizienz der Zusammenarbeit stärken? Das ist alles nur verschoben worden. Die zweite Kritik von uns ist, dass nicht in der Breite der Gewerkschaften diskutiert wurde, sondern nur auf Vorstandsetagen und in Hinterzimmern. Ich kenne keine Delegiertenversammlungen der IG Metall oder ver.di-Bezirks- konferenzen zu dem Thema. Man hätte noch zwei, drei Jahre sehr intensiv diskutieren müssen – statt eine Satzungsreform zu machen und zu sagen: »Alles andere klären wir später.«

Was ist Zweck dieser Strukturreform?
Der DGB soll effizienter, vor Ort wieder präsenter und das ehrenamtliche Engagement in den Regionen gestärkt werden. Das ist die Begründung des Bundesvorstandes. Das würde das Aus für die Regionsvorsitzenden bedeuten.

Wieso?
Wir haben bislang mit dem Bund, den Bezirken und den Regionen drei hauptamtlich besetzte Ebenen. Die Regionen in dieser Form werden aufgelöst und in die Bezirke integriert. Dafür sollen lokal neue Landkreis- und Stadtverbände entstehen, die von Ehrenamtlichen geführt werden. Die Regionalvorsitzenden werden dann von der Bezirkskonferenz gewählt, nicht mehr in der Region, und sind Geschäftsführer der neuen Gliederungen. Ihre Aufgabe wird es sein, die Ehrenamtlichen zu unterstützen.

Wird damit Demokratie ein Stück weiter nach oben verschoben?
Der Bundesvorstand bestreitet das und sagt, dadurch, dass bei den ehrenamtlichen die Wahlen stattfinden, wird die Demokratie gestärkt. Wir sehen das etwas anders.

Erfahren sie mit Ihrer Kritik Unterstützung aus anderen Bezirken?
Mein Eindruck ist, dass zumindest auf der Ebene der Regionen Resignation herrscht, nach dem Motto: »Das haben die da oben ausgekaspert, und man kann letztlich nichts mehr ändern.« Aber genau das ist ja unsere Kritik, dass die Strukturreform eine Kopfgeburt ist, die nicht in der Breite diskutiert wurde. Man hätte erst die inhaltlichen Punkte klären müssen und danach eine neue Satzung entwerfen, nicht umgekehrt. Es ist ja richtig, dass der DGB sparen muss bei der Mitgliederentwicklung. Aber man muss doch zuerst sagen, welche Aufgaben gemacht werden müssen und dafür muss dann Geld ausgegeben werden. So wie es jetzt werden soll, folgen die Aufgaben dem Geld.

Hat Ihr Antrag Chancen beim Bundeskongress?
Ich bin kein Prophet. Ich hoffe zumindest auf eine intensive Diskussion darüber, was wir vom DGB wollen, was er sein soll: ein loses Koordinierungsgremium für die Gewerkschaften oder ein starker politischer Dachverband, der die politische Stimme der Gewerkschaften ist. Das ist nicht geklärt, in dieser Debatte stehen wir ganz am Anfang.

Fragen: Jörg Meyer


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