Sächsischer Stellvertreter-Streit

LINKE klagte wegen der Besetzung des Landtagspräsidiums vor dem Verfassungsgericht

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Linkspartei hat die zweitstärkste Fraktion im sächsischen Landtag, sie möchte deshalb den ersten Vizepräsidenten stellen. Dass auch der FDP ein Vizeposten zusteht, bezweifelt die Partei. Nun ist das Landesverfassungsgericht am Zuge.

Alte Gewohnheiten werden in der Regel nicht ohne triftigen Anlass geändert. Es dürfte also Gründe haben, dass in Sachsens Landtag nach der Wahl 2009 der zuvor 19 Jahre praktizierte Modus geändert wurde, mit dem der Landtagspräsident und seine Stellvertreter bestimmt werden. Diese leiten nicht nur die alltäglichen Geschäfte im Parlament, sondern repräsentieren es auch nach außen. Viele Termine nimmt der Präsident selbst wahr; ist er verhindert, schickt er einen seiner Stellvertreter – wobei deren Rangfolge strikt berücksichtig wird. Es sei, sagt Klaus Bartl, Rechtspolitiker der Linksfraktion, also »ein Unterschied, ob man den ersten oder zweiten Vize stellt«. Genau diese Feststellung hat die LINKE vor das Verfassungsgericht in Leipzig geführt. Sie klagt dort gegen eine Neuregelung in der Geschäftsordnung, die von der Koalition aus CDU und FDP durchgesetzt wurde. Ihr Kern: Nicht mehr das gesamte Präsidium des Landtags wird wie bisher gemäß der Stärke der Fraktionen gewählt, sondern nur die Riege der Stellvertreter. Der Posten des Präsidenten fällt der CDU, die die meisten Abgeordneten stellt, ohnehin zu. Folge der Neuregelung ist, dass die LINKE als zweitstärkste Fraktion nicht mehr wie bisher beim ersten, sondern mit Horst Wehner erst beim zweiten Stellvertreterposten zum Zug kam.

Kritik am »Ämterverleih«

Ob die Richter darin einen Nachteil sehen, wurde in der gestrigen Verhandlung zunächst nicht deutlich. Zahlenmäßig sei der »Grundsatz der Spiegelbildlichkeit«, wonach Fraktionen in Gremien gemäß ihrer Stärke berücksichtigt sein müssen, gewährleistet, sagte Gerichtspräsidentin Birgit Munz. Der Vertreter des Landtags argumentierte, die Chancengleichheit sei unabhängig von der Rangfolge der Vizeposten gewährleistet; zudem seien ihre Inhaber Vertreter des gesamten Parlaments und nicht einzelner Fraktionen. Die Praxis sehe anders aus, sagt Bartl: Bei Terminen würden sie durchaus als Parteipolitiker wahrgenommen.

Dass Vizepräsidenten ihr Parteibuch mit der Wahl nicht abgeben, ist auch indirektes Motiv für einen zweiten Aspekt der Klage. Dabei geht es um den dritten Stellvertreterposten. Rechnerisch stünde er der CDU zu; diese trat ihn jedoch wie schon in der vorigen Wahlperiode an den Koalitionspartner ab. Daher sitzt jetzt FDP-Mann Andreas Schmalfuß im Präsidium.

Die LINKE spricht von einem »Ämterverleih«, der nicht zulässig sei. Verwiesen wird auf einen parallelen Streit: In der Parlamentarischen Kontrollkommission, die den Geheimdienst kontrolliert, hatte die CDU ebenfalls einen ihr zustehenden Sitz an die FDP abtreten wollen. Der juristische Dienst des Landtags hatte das als unzulässig bezeichnet. »Gleiches muss für das Präsidium gelten«, sagt Bartl.

FDP sparte sich das Sparen

Kritik an der Wahl von Schmalfuß gab es zur Genüge – vor allem deshalb, weil die FDP zuvor gegen den angeblich überflüssigen und teuren dritten Vizeposten gewettert hatte. Dass den Liberalen nach der Wahl das Repräsentieren wichtiger war als das Sparen, hatte auch die SPD moniert, die freilich aus gutem Grund nicht klagte: In der vorigen Wahlperiode war der dritte Vizeposten erst geschaffen worden – für einen SPD-Mann.

Ob die LINKE in dieser Frage nun so betroffen ist, dass sie klagen kann, wurde vom Landtagsvertreter gestern bezweifelt. Bartl hält dagegen: Zur Chancengleichheit gehöre auch, dass eine Fraktion wie die FDP »nicht bekommt, was ihr nicht zusteht«. Das Urteil fällt am 5. November.

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