Urängste und Utopien

Lübecker Museen zeigen Barlach-Ausstellung

  • Lutz Gallinat, Lübeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Ernst Barlach (1870-1938) war ein Mann des Nordens. Beinahe sein ganzes Leben hat er in Norddeutschland verbracht. Nun wird in Lübeck die Doppelausstellung »Barlach in Lübeck« präsentiert: Das Lübecker Museum Behnhaus Drägerhaus zeigt einen Überblick über Barlachs Frauendarstellungen, zeitgleich widmet sich das Günter Grass-Haus dem literarischen Opus des Künstlers.

Die Sehnsucht der menschlichen Existenz auf den Grund zu gehen, zu verstehen, was den Menschen in seinem Innersten bewegt, fand Ernst Barlach häufig in Mythen versinnbildlicht, in Naturmythen, in biblisch-christlichen, aber auch in literarisch geformten. Die Auseinandersetzung mit dem Mythos nimmt daher im Werk des Bildhauers, Grafikers und Schriftstellers Barlach einen entscheidenden Platz ein. Aus der Wahrheit der mythischen Geste schöpft der Künstler seine Themen Tod, Auferstehung und Neubeginn sowie Sinnbilder für das Leiden des Menschen, für seine Größe und seine »Angelegenheiten«, wie er es nannte.

Barlachs Arbeit am Mythos ist mit der expressionistischen Vision von einem neuen Menschen verknüpft. Die Ausstellung in Lübeck veranschaulicht dies durch exzeptionelle Exempel seiner literarischen und bildkünstlerischen Arbeiten. In solchen Werken drückt sich aus, was Barlach und seine expressionistischen Zeitgenossen bewegte: das Empfinden von Zerrissenheit in einer unzulänglichen Welt, Urängste, aber auch die Vision eines Menschen, die Utopie von einem besseren Leben.

Unter den Exponaten befinden sich neben Zeichnungen und Plastiken Raritäten wie eine lange verschollen geglaubte Vorstufe zu Barlachs Drama »Der blaue Boll«, ein Manuskript zum Drama »Der arme Vetter« mit zahlreichen eigenhändigen Korrekturen sowie die Originalhandschrift des Romanfragments »Der gestohlene Mond«. Zudem werden Illustrationen zu eigenen und fremden Texten präsentiert, die Barlach als einen wichtigen Vertreter der Buchkunstbewegung des frühen 20. Jahrhunderts zeigen. Darunter sind Lithografien zu seinem ersten Stück »Der tote Tag«, Holzschnitte zur »Walpurgisnacht« aus Goethes »Faust I« oder zu Schillers Ode »An die Freude« sowie Skizzen zu Kleists »Michael Kohlhaas« und zum »Nibelungenlied«.

Ernst Barlach hat sich in seinem Werk auf vielfältige und intensive Weise mit dem Thema Frau befasst, das er in einem bislang unbeachteten Facettenreichtum entfaltete. Neben der Darstellung von Frauen aus seinem persönlichen Umfeld zeigt er die Frau seinem Rollenverständnis entsprechend als Ehefrau, Schwangere und Mutter, als Bäuerin und Arbeiterin, als femme fatale oder Dame der Gesellschaft.

Im Rahmen der Lübecker Ausstellung wird erstmals auch der Zusammenhang zwischen Barlachs persönlichen Beziehungen zu Frauen und seinen Frauenbildern untersucht. Seine symbiotische Mutterbeziehung führt zur intensiven Beschäftigung mit weiblichen Thematiken und prägt sein Frauenbild wie auch seine persönlichen Frauenbeziehungen, die er künstlerisch verarbeitet. Die Ausstellung bietet einen Gesamtüberblick und präsentiert Skulpturen, Grafiken und Zeichnungen des Künstlers.

Die Doppelausstellung »Barlach in Lübeck« ist zu sehen im Museum Behnhaus Drägerhaus Lübeck, Königstraße 9-11, sowie im Günter Grass-Haus Lübeck, Glockengießerstraße 21. Sie schließt am 29. Mai 2011.

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