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Unverwüstliches Gefährt

Eine Schau im Dresdener Verkehrsmuseum ist der AWO, dem Kultmotorrad der frühen DDR, gewidmet

  • Sebastian Hennig, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Jedes Jahr am ersten Maiwochenende zieht es die AWO-Fahrer aus allen Himmelsrichtungen ins südthüringische Suhl. Die ebenso robusten wie eleganten Motorräder wurden dort bis Anfang der 1960er Jahre gebaut – und gut sechzig Jahre ist es her, dass das erste Modell auf den Markt kam. Eine Schau im Dresdner Verkehrsmuseum beleuchtet die Geschichte des DDR-Kultmotorrads.
24 AWOs zeigt die Dresdener Ausstellung.
24 AWOs zeigt die Dresdener Ausstellung.

Der Weg bis zum ersten Viertakt-Motorrad aus Suhl ist verschlungen. Die örtliche Eisenindustrie beförderte früh den Aufschwung des Maschinenbaus. Im Jahr 1856 gründeten die Gebrüder Simson ihre Fabrik, die sich rasch zu einem dynamischen Unternehmen auswuchs. Seit 1896 wurden Fahrräder, seit 1908 Automobile produziert. Der Rennwagen Simson Supra wurde zum Beispiel für die Verbindung von Ästhetik und Funktionalität. Später gewann die Rüstungsproduktion immer mehr an Bedeutung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die sowjetische Militäradministration das Werk. Zigtausend Fahrräder und Jagdgewehre aus Suhl wurden als Reparationsleistung in die Sowjetunion überführt. 1948 erging dann der Befehl zur Entwicklung eines neuen Motorrades durch die sowjetische A. G. AWTOWELO. Bereits am 1. Mai 1950 verließ das erste Fahrzeug das Werk. Bis Jahresende wurden tausend Maschinen AWO 425 in Serie fertiggestellt. Die Ziffern deuten auf einen Viertaktmotor mit 250 Kubikzentimetern Hubraum. Auch von diesen Motorrädern gingen in den ersten Produktionsjahren viele als Kompensation in den Osten.

1952 wurde der Betrieb an die Regierung der DDR übergeben, fünf Jahre später wurde der Markenname auf »Simson« geändert. Da es an einem Volkswagen noch mangelte, wurde die AWO zum Volksmotorrad. Der Kaufpreis von 2550 Mark war noch erschwinglich, und mit Beiwagen konnte die ganze Familie am Ausflug teilnehmen. Für flottere Beweglichkeit gab es ab 1955 die Sportausführung, die besonders bei jungen Leuten beliebt war und sich zudem gut ins Ausland verkaufte. Die solide und durchschaubare Technik empfahl das Gefährt für den Einsatz beim Sport und zu offiziellen Anlässen. Es gab eine Sonderausfertigung eigens für die »Gesellschaft für Sport und Technik« sowie auch eine zur Eskortierung von Staatskarossen.

Im Vorfeld der Dresdener Ausstellung wurden Erinnerungen an die aktive Zeit der AWO als eines motorisierten Hilfsmittels im Alltag gesammelt, die nun mit alten Fotos bebildert in der Schau ausliegen. Auch akustisch wird ein Eindruck von der Motorleistung vermittelt. Die älteste, unrestaurierte Maschine stammt aus dem Jahr des Produktionsbeginns. Das alte grüne AWO-Abziehbild prangt in schönem Komplementärkontrast auf dem rot lackierten Tank. Ein absolutes Original stellt die noch funktionsfähige Kleinserien-Rennmaschine AWO RS 250/1 dar. Das abgeschabte Sitzleder ist die Trophäe einer bewegten Fahrzeughistorie. Die schnellste AWO erreichte Geschwindigkeiten bis 200 Stundenkilometer. Ein Umbau zur Chopper und einige Werksmaschinen, die auf Rennen erfolgreich waren, runden das Bild ab.

Der Überdruss an den Zweitaktern der DDR-Produktion bewirkte in den Achtzigern eine AWO-Renaissance. So manche eingemottete Maschine wurde mit viel Arbeitsaufwand und Liebe wieder flottgemacht. 1981 wurde in Dresden der erste AWO-Klub gegründet. Er organisierte das größte je in der DDR durchgeführte Motorradtreffen. 1984 knatterten 550 Maschinen über das Blaue Wunder in die Dresdener Innenstadt.

Bei sachverständiger Pflege handelt es sich bei der AWO wohl um unsterbliche Technik. Das demonstriert der SSV Heidenau. Für die seit 2002 stattfindenden Steher-Rennen kommen die sieben vereinseigenen AWOs voll zum Einsatz.

»Zwei Räder, Vier Takte AWO – Das Kultmotorrad der DDR«, Verkehrsmuseum Dresden, bis 1. Mai

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