Niebels neue Leitlinien für eine alte Politik

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

Nun sind sie raus: die neuen Leitlinien der deutschen Entwicklungspolitik. Das 26-seitige Konzept mit dem Titel »Chancen schaffen – Zukunft entwickeln« lässt auf dem Papier kaum etwas zu wünschen übrig. Künftig soll es ein Mehr von allem geben: Innovation, Bildung, Eigenverantwortung, Wirkung, Engagement, Unternehmertum, Dialog, Investitionen, Klimaschutz, Prävention. Auch an Selbstkritik fehlt es dem neuen Strategiepapier nicht – ein »›Weiter So‹ geht nicht«, lautet die Bestandsaufnahme und eine »bessere Welt ist möglich« die Zielsetzung.

In dem Papier finden sich viele Versatzstücke aus der Theorie einer progressiven Entwicklungspolitik, beispielsweise wird der Förderung lokaler Wertschöpfungsketten das Wort geredet, also der Stärkung der Verflechtung von lokalen Unternehmen und dem Aufbau von lokalen Märkten, um im Süden selbsttragendes Wachstum zu schaffen. Etwas, was in der Praxis der Entwicklungspolitik eher selten eine Rolle spielt, wo die Auftragsvergabe an deutsche Unternehmen großen Stellenwert genießt. Nicht umsonst brüstete sich Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) jüngst im »Focus«, »diese Entwicklungspolitik sichert schon heute 140 000 deutsche Arbeitsplätze«.

In den neuen Leitlinien, die vom Geberländerklub OECD eingefordert wurden, wird das privatwirtschaftliche Interesse klein geschrieben und als Helfer des entwicklungspolitischen Interesses ausgemacht. Auch in diesem Kontext gilt, was für das gesamte Papier zutrifft: An den wohlfeilen Formulierungen an sich ist wenig auszusetzen, der Praxistest steht indes aus. Und alle Erfahrungen, die seit Niebels Amtsantritt 2009 gemacht wurden, deuten darauf hin, dass es unabhängig von Leitlinien mehr denn je ein übergeordnetes Interesse der deutschen Entwicklungspolitik gibt: Aufträge und Beschäftigung für deutsche Unternehmen und Experten.

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