Rechtspopulisten reden Niederlage klein

Blochers Volkspartei verliert bei Wahlen in Schweiz

  • Steffen Klatt, St. Gallen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist die erfolgreichste rechtspopulistische Partei in Europa. Doch nach der jüngsten Wahl bröckelt ihr Einfluss.

Toni Brunner hat Humor. Doch in diesen Tagen ist dem erst 37-jährigen SVP-Präsidenten das Lachen vergangen. Er muss vor zahlreichen Kameras und Mikrofonen immer wieder erklären, warum seine Partei am Sonntag 3,6 Prozent der Wählerstimmen und 8 von 62 Sitzen im 200-köpfigen Nationalrat verloren hat - so viel wie keine andere. Die offiziellen Endergebnisse der Parlamentswahlen ließen am Montag wegen einer Computerpanne im Kanton Waadt länger auf sich warten als geplant.

Auch wenn die SVP mit rund 25,3 Prozent stärkste Partei bleibt, es ist ihre erste Niederlage, seit Ende der 80er Jahre der Aufstieg der kleinsten der vier Bundesratsparteien an die Spitze begann. Zweitstärkste politische Kraft bleiben die Sozialdemokraten (SP), aber auch sie verschlechterten sich, um 1,4 auf 18,1 Prozent. Erheblichen Stimmenzuwachs verzeichneten vor allem die rechts von den Grünen stehenden Grünliberalen mit 5,3 und überraschend die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) mit 5,2 Prozent.

Brunner versucht, die Niederlage kleinzureden: »Die SVP ist noch immer die stärkste Partei.« Gern verweist er auch auf die Kantone, in denen man hinzugewinnen konnte. Jetzt komme eben die Phase der Konsolidierung, um dann »wieder zuzulegen«. Brunner weiß, wovon er redet. Er hat die Partei in seinem eigenen Kanton St. Gallen in jahrelanger Kleinarbeit aufgebaut - wie schon sein Vorbild Christoph Blocher vor ihm im Kanton Zürich. Die Stärke der SVP geht zu einem guten Teil auf diese disziplinierte Basisarbeit zurück.

Ob es diesmal wieder gelingt, ist aber offen. Die Rechtspopulisten bestimmen seit zwei Jahrzehnten die Politik in der Schweiz und werden nicht mehr als glaubwürdige Opposition wahrgenommen, geschweige denn als frische Kraft. So verlieren sie ausgerechnet in ihren Stammkantonen am deutlichsten, etwa in Zürich an die BDP, vor drei Jahren von enttäuschten gemäßigteren SVP-Politikern gegründet.

Die SVP hat einst mit »Tabuthemen« gepunktet: Ein EU-Beitritt sei nicht sinnvoll; man habe zu viele Ausländer aufgenommen, die nicht mehr integriert werden konnten; die innere Sicherheit verschlechterte sich. Doch inzwischen sind das nicht mehr die zentralen Themen. Und auf die aktuellen, die Kernenergie und die Stärke des Franken, hatte die SVP keine überzeugenden Antworten. Viele Wähler setzen in Zeiten unruhiger Märkte lieber auf Konsens statt auf Konfrontation.

Die Niederlage hat bereits Folgen. Brunner bekennt sich nun ausdrücklich zur sogenannten Konkordanz. Damit sichert er der SP zu, dass sie in der siebenköpfigen Regierung ihren zweiten Sitz halten könne - und verlangt im Gegenzug einen zweiten für seine Partei. Doch SP-Präsident Christian Levrat ziert sich, nachdem »beide rechte Parteien SVP und Freisinnige zusammen 12 Sitze verloren haben«. Die Partei wolle erst im November entscheiden, wie man bei der Regierungsbildung Mitte Dezember abstimmen werde. Der aufsteigende Stern der neuen Mitte, der Grünliberale Martin Bäumle, rechnet mit langfristigen Folgen der SVP-Niederlage. »In Zukunft wird es leichter sein, im Parlament Lösungen zu finden.«

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