Papandreou: Ihr seid das Volk!
EU und Börsen verunsichert über Referendum in Griechenland
Erstmals sollen nicht Regierungsvertreter oder Geheimgremien hinter verschlossenen Türen über ein Sparprogramm entscheiden, sondern die Betroffenen selbst. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou kündigte am Montagabend einen Volksentscheid über das Rettungspaket an, das die Euro-Staaten seinem Land am vergangenen Donnerstag diktiert hatten. Die Runde hatte Athen nochmals eine 100-Milliarden-Tranche zugesichert und verlangt, den Schuldenstand des Landes von derzeit 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 120 Prozent bis 2020 zu drücken. Der »Schuldenschnitt« ist an weitere harte Sparmaßnahmen und eine stärkere Kontrolle der griechischen Haushaltspolitik durch EU, Europäische Zentralbank und Währungsfonds geknüpft.
Vier Sparpakete hat die Athener Regierung auf EU-Weisung seit Anfang 2010 auf den Weg gebracht, die Maßnahmen reichen von einer Mehrwertsteuererhöhung über die Anhebung des Rentenalters bis zur rigorosen Kürzung von Sozialleistungen und Entlassungen im Staatsdienst. In einer Meinungsumfrage vom Wochenende sehen nicht einmal 13 Prozent der Befragten etwas Positives in dem jüngsten Brüsseler Schuldendeal. Trotzdem ließ sich Papandreou von seinem Vorhaben nicht abbringen: »Der Willen des Volkes ist bindend«, betonte er vor Abgeordneten seiner sozialistischen PASOK-Partei. Lehne das Volk die Vereinbarung ab, »wird sie nicht verabschiedet«. Das Referendum wird jedoch erst abgehalten, wenn die Einzelheiten des Schuldendeals ausgehandelt sind. Das könnte Anfang 2012 sein. Ob Papandreou den Ausgang des Referendums noch als Premier erlebt, ist fraglich. Er kündigte für Freitag eine Vertrauensabstimmung im Parlament an, in dem seine Partei - nach einem Austritt am Dienstag - nur noch 152 der 300 Mandate hält.
Die Reaktionen auf die Ankündigung waren absehbar. An der Frankfurter Börse stürzte der Dax am Dienstag ab, lag am Ende bei Minus fünf Prozent. Brüssel zeigte sich verschnupft, Banker sprachen vom »Selbstmord« Griechenlands und deutsche Unionspolitiker sahen sich von der Regierung in Athen getäuscht. Während Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy hektisch ein Krisentreffen vereinbarten, brachte Finnland wieder einmal einen Rauswurf der Griechen aus der Euro-Zone ins Gespräch. Aus der Linksfraktion im Bundestag gab es dagegen Lob für den Schritt Papandreous. Allerdings sehen die linken Parteien in Griechenland das geplante Referendum durchaus kritisch: Der Premier könnte sich damit nur das Plazet für weitere Sparmaßnahmen holen wollen.
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