Stolperstein Atomkraft

Frankreichs Sozialisten und Grüne streiten um Wahlthemen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Schulter an Schulter wollten Frankreichs Grüne und Sozialisten im kommenden Frühjahr Nicolas Sarkozy stürzen und für eine Linksregierung kämpfen. Nun spalten Sachthemen die beiden Parteien.

Die Verhandlungen zwischen der Sozialistischen Partei und den Grünen EE-LV (Europe Ecologie-Les Verts) über ein Bündnis bei den Parlamentswahlen 2012 und die Beteiligung an einer eventuellen Linksregierung haben am Wochenende einen toten Punkt erreicht. Stolperstein ist die Haltung zur Atomenergie. Dass bei den Präsidentschaftswahlen neben dem Sozialisten François Hollande auch Eva Joly für die Grünen antritt, steht schon fest. Offen ist jedoch noch, ob die EE-LV in einem zweiten Wahlgang offiziell den Linkskandidaten unterstützen werden. Dass es zu einer Stichwahl zwischen Hollande und Amtsinhaber Nicolas Sarkozy kommt, gilt als nahezu sicher.

Doch beim aktuellen Zwist geht es um die einen Monat nach den Präsidentschaftswahlen stattfindenden Parlamentswahlen, bei denen sich entscheidet, ob die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung eine Linksregierung möglich machen. Die Grünen, die relativ wenig Mitglieder, Ortsgruppen und bekannte Politiker haben, sind darauf angewiesen, dass ihnen die Sozialisten »gewinnbare« Wahlkreise überlassen. »Doch wir wollen lieber ohne Abgeordnete aus den Wahlen hervorgehen, als unsere Überzeugungen zu opfern«, machte Eva Joly deutlich. Ultimativ fordert sie von den Sozialisten den Ausstieg aus der Kernenergie und den Verzicht auf die Fertigstellung des Kernkraftwerks in Flamanville. François Hollande hat dagegen mehrfach betont, dass er sich »von den Grünen nicht erpressen« lasse. Die Sozialisten schlagen vor, den Anteil der Atomenergie von heute 75 Prozent auf 50 Prozent im Jahre 2025 zu reduzieren und entsprechend den Zuwachs der alternativen Energien zu fördern. Doch das Kraftwerk Flamanville müsse gebaut werden, weil schon zu viel investiert sei und das moderne Werk mehrere ältere ersetzen könne.

Für die Grünen ist das inakzeptabel. Joly hat schon darauf verwiesen, dass »Hollande auf uns angewiesen ist, um gegen Sarkozy zu siegen«. Sie erinnert daran, dass die Sozialisten 1997 den Grünen als Preis für ein Wahlbündnis und die Beteiligung an der Linksregierung den Verzicht auf den Forschungsreaktor Superphenix und auf den Bau des Rhein-Rhône-Kanals zugestanden hatten.

Das Tauziehen zwischen Sozialisten und Grünen ist eine willkommene Gelegenheit für die Rechten, einen Keil zwischen beide Parteien zu treiben. So hat am Wochenende der Generalsekretär der rechten Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, mit großer Geste öffentlich an François Hollande appelliert, »im nationalen Interesse nicht auf die Atomenergie zu verzichten« und die Verhandlungen mit den Grünen abzubrechen. Die Lobby der Atomindustrie schlägt in dieselbe Kerbe. Beim Ausstieg aus der Kernkraft stünden eine Million Arbeitsplätze auf dem Spiel, ganz abgesehen von der Sicherheit der Energieversorgung des Landes, erklärte Henri Proglio, Vorstandsvorsitzender des mehrheitlich staatseigenen Energiekonzerns EDF.

Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Bevölkerung und auch die Gewerkschaften davon überzeugt sind, dass die Atomkraft mehr Vor- als Nachteile hat. Jean-Vincent Placé, der erst unlängst für die Grünen in den Senat eingezogen ist, räumte ein: »Angesichts der Kräfteverhältnisse werden wir wohl Zugeständnisse machen müssen, aber nicht, ohne dass Hollande einen Schritt auf uns zu gemacht hat.« Zwar pochen beide Seiten öffentlich auf ihre unterschiedlichen Positionen, doch hinter den Kulissen wird hektisch nach einem Kompromiss gesucht, denn keine Seite will es wirklich zum Eklat kommen lassen. Schließlich geht es zuallererst um den Sturz Sarkozys.

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