Revolutions- oder Bürgerkriegspaten?

Die Friedensbewegung diskutiert über ihre Solidarität mit dem syrischen Aufstand

In der Friedensbewegung gehen die Meinungen über die Syrien-Soli-Initiative »Adopt a Revolution« auseinander. Zwei Papiere machen die Kontroverse nun öffentlich. Sie berührt eine seit Langem umstrittene Grundsatzfrage.

Deutsche und syrische Aktivisten sammeln seit Monaten Geld zur Stärkung der Kräfte in Syrien, die gewaltlos dem Assad-Regime die Stirn bieten. Die Kampagne unter dem Namen »Adopt a Revolution« (AaR) hat große mediale Aufmerksamkeit bekommen. Anteilnahme vermisst die Initiative jedoch von normalen Bürgern. »Keine Kerzenmeere vor Botschaften, keine Massendemonstrationen für die Aktivisten und kaum praktische Solidarität«, klagt die Solidaritätsinitiative in ihrer kürzlich erschienenen Mobilisierungszeitung. Besonders im Stich gelassen fühlt sie sich von der Linken und der Friedensbewegung in Deutschland. Müssten nicht gerade sie an der Seite der unterdrückten syrischen Bevölkerung stehen?

Ein heiß diskutiertes Thema ist der Aufstand in Syrien in der Friedensbewegung durchaus. Einige bekannte Organisationen wie Medico International, das Netzwerk Friedenskooperative oder die Bewegungsstiftung unterstützen »Adopt a Revolution«. Auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie gehört dazu: »Wir finden es richtig, demokratischen Widerstand gegen ein diktatorisches Regime zu unterstützen«, sagt Martin Singe gegenüber »nd«.

Der wahrscheinlich größere Teile der Friedensbewegung kann sich mit den »Revolutionspatenschaften« hingegen nicht anfreunden. Viele sind unsicher, ob man sich wirklich auf die Gewaltlosigkeit der Komitees verlassen kann. »Man weiß viel zu wenig«, findet Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Auf der Homepage bemüht sich »Adopt a Revolution« um größtmögliche Transparenz und dokumentiert Berichte der finanzierten Gruppen. Doch das reicht Strutynski nicht. Sein Zweifel bleibt.

Die Soli-Bewegung vermutet jedoch auch politisch-inhaltliche Gründe hinter der Zurückhaltung. Im Raum steht der Vorwurf, dass es nicht um die Gewaltfrage gehe, sondern darum, dass sich der Protest gegen eine Regierung richtet, die sich den Weltordnungsansprüchen der USA widersetzt. In den 80er Jahren, so heißt es süffisant, hätten viele heutige Kritiker der syrischen Opposition kein Problem damit gehabt, für »Waffen für El Salvador« zu spenden.

Strutynski weist das als »Blödsinn« zurück: »Wir lehnen die Assad-Regierung ab, das ist überhaupt keine Frage.« Dennoch sei dessen Sturz allein Angelegenheit des syrischen Volkes. Die Aufgabe der deutschen Friedensbewegung sieht er woanders: und zwar in der Verhinderung einer ausländischen Intervention. Der Umgang mit dem Aufstand in Syrien berührt eine seit Langem umstrittene Grundsatzfrage. Muss die Friedensbewegung jegliche externe Einflussnahme auf innerstaatliche Konflikte ablehnen oder ist auch aktive Unterstützung von gewaltfreien, oppositionellen Demokratiebewegungen vor Ort notwendig? Für »Adopt a Revolution« stellt sich die vom Bundesausschusses Friedensratschlag eingenommene Haltung jedenfalls als Desinteresse an der Situation der Menschen in Syrien dar.

Inzwischen ist die Kontroverse öffentlich dokumentiert. Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) veröffentlichte dieser Tage ein Papier, das die Bedenken gegenüber der Initiative ausformuliert. Angefügt ist zudem die Antwort von »Adopt a Revolution« und Unterstützern, die die Friedensforscherin und -aktivistin Christine Schweitzer im gemeinsamen Namen verfasst hat.

Aus IMI-Sicht hat das Projekt inzwischen eine »deutliche Schieflage« bekommen. So biete es auch Kräften eine Plattform, die einer militärischen Eskalation das Wort reden, kritisieren Christoph Marischka und Jürgen Wagner in dem Papier. Gemeint sind etwa zwei Mitglieder des AaR-Beirats, die dem Syrischen Nationalrat SNC angehören und die sich, so die beiden, für die Bewaffnung der Oppositionsarmee einsetzen. Sie warnen, dass sich solche Positionen mit Hilfe der Kampagne einen friedlichen Anstrich verpassen könnten. Die Stellungnahme gipfelt in der Befürchtung, die Patenschaften für die Revolution könnten - ungewollt - zu »Bürgerkriegspatenschaften« mutieren.

»Adopt a Revolution« selbst teilt die Bewaffnungsforderung nicht. Christine Schweitzer räumt in der Replik auf die Kritik ein, dass das in der öffentlichen Wahrnehmung nicht immer deutlich geworden sein mag. Da gingen in Interviews der beiden SNC-Funktion und »Adopt« zuweilen durcheinander. Die Initiative diskutiert deshalb, wie sich das künftig vermeiden lässt. Die von den IMI-Mitarbeitern erhobene Ausschlussforderung empfindet Schweitzer jedoch als »unangemessen«. Die eigentlichen AaR-Macher versichern, ausschließlich friedlichen Widerstandsgruppen zu helfen. Zudem sprechen sie sich in einer neuen Erklärung ausdrücklich gegen »humanitäre Interventionen« aus, wie sie in den vergangenen Wochen von Politikern verstärkt gefordert werden.

Schweitzer tritt dem Eindruck entgegen, in Syrien werde inzwischen überall gekämpft. »Es gibt den zivilen Widerstand weiterhin«, betont sie. So lange es dabei bleibt, sieht sie keinen Grund, die Unterstützung des Projekts aufzukündigen. Schweitzer ist überzeugt: »Je mehr Beachtung der zivile Widerstand findet, desto größer sind die Chancen, dass es nicht zu einem flächengreifenden Bürgerkrieg in dem Land kommt.« Doch auch innerhalb der deutschen Unterstützergruppen wachsen angesichts der Bürgerkriegszustände im Land die Zweifel. Unumstritten war das Projekt in den eigenen Reihen ohnehin nie. Das Grundrechtekomitee will sich in den nächsten Tagen noch einmal grundsätzlich verständigen. »Eine Bürgerkriegsstrategie der Opposition werden wir nicht unterstützen.«

Internet: Bürgerkriegspatenschaft?

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