Hotel nahe Kabul von Taliban angegriffen

Über 20 Tote / EU protestiert, weil afghanischer Minister Frauenhäuser mit Bordellen gleichsetzt

  • Lesedauer: 3 Min.
Bei einem Angriff der Taliban auf ein bei Ausländern beliebtes Hotel nahe Kabul sind 20 Menschen getötet worden. Die Taliban behaupten, dort seien »wilde Parties« gefeiert worden.

Kabul/Brüssel (AFP/nd). Laut Polizei attackierten die Taliban-Kämpfer kurz vor Mitternacht das Hotel am Kargha-See, der rund zehn Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt. Mindestens einer der Angreifer habe eine Sprengstoffweste gezündet. Nach der Stürmung des Hotels hätten sich die Kämpfer mit den Gästen des Hotels im Inneren des Gebäudes verschanzt.

Der afghanischen Regierung zufolge konnten nach rund acht Stunden bis zu 40 Geiseln in Sicherheit gebracht werden. Nach vier weiteren Stunden war der Angriff dann beendet. Insgesamt seien 20 Menschen getötet worden, sagte Innenministeriumssprecher Sedik Sedikki. Unter den Opfern seien zwölf Zivilisten, drei Wachleute des Hotels und ein Polizist. Zudem seien vier oder fünf Angreifer getötet worden. Drei der Opfer sind laut Polizei ertrunken. Sie hatten sich vermutlich aus Angst vor den Taliban in den See geflüchtet.

Ein Taliban-Sprecher erklärte, in dem Hotel würden ranghohe Mitarbeiter ausländischer Botschaften, Vertreter der NATO-Armeen und Mitarbeiter der Kabuler Verwaltungsbehörden »wilde Parties« mit Alkohol und Prostituierten feiern. Deshalb sei der Angriff auf die Nobelherberge verübt worden.

Der Kargha-See ist ein beliebtes Ausflugsziel nahe Kabul. Der See ist umgeben von Hotels, Restaurants und Hochzeitssälen. Das Sposhmai-Hotel ist bei Ausländern und der afghanischen Elite angesagt - vor allem jeden Donnerstagabend, zum Beginn des Wochenendes in Afghanistan. In dem Hotel halten sich dann für gewöhnlich viele reiche Familien aus der Hauptstadt auf.

Hotels, Regierungsgebäude, Botschaften und Militärstützpunkte in Kabul sind regelmäßig Ziel von stundenlangen Kommandoangriffen, obwohl die Hauptstadt der am schwersten bewachte Ort des Landes ist. Die Belagerung des Sposhmai nährte die Befürchtungen, dass die Gewalt mit dem Abzug der internationalen Truppen bis Ende 2014 weiter zunehmen könnte. Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Knud Bartels, zeigte sich aber trotz des Angriffs »vorsichtig optimistisch«.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte die Tat einem Sprecher zufolge »auf das Schärfste«. Es sei »in hohem Maße bedauerlich«, dass Zivilisten bei dem Angriff getötet worden seien. Erste Erkenntnisse ließen darauf hoffen, dass keine Ausländer und damit auch keine Deutschen unter den Opfern seien, sagte der Sprecher weiter. Deutsche Soldaten waren bei dem Einsatz gegen den Angriff »offenbar nicht beteiligt«, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin.

Die Europäische Union hat sich »zutiefst beunruhigt« über die Äußerungen des afghanischen Justizministers Habibullah Ghaleb geäußert, in denen er Frauenhäuser mit Bordellen gleichgesetzt hatte. Seine Äußerungen hätten dem Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen einen Rückschlag versetzt, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Mittwoch. Opfer von Gewalt bräuchten sichere Orte der Zuflucht. Bisher verfügt Afghanistan über zwölf Frauenhäuser für Opfer häuslicher Gewalt.

Jene Frauen, die sich in Frauenhäuser flüchteten, verdienten die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Regierung, betonte Ashton. Sie bezog sich auf eine Äußerung Ghalebs von Sonntag, in der er ausländischen Organisationen vorgeworfen hatte, durch die Finanzierung von Frauenhäusern Frauen zur Auflehnung gegen ihre Eltern zu ermutigen. »Welche Akte der Unmoral und der Prostitution haben sich nicht bereits in dieser Art Orte ereignet?«, hatte der Minister gefragt. Kommentar Seite 4

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