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Regieren für gleiche Renten

Linksfraktionschefs stellen in Potsdam Bedingungen für Rot-Rot-Grün im Bund

Regieren oder Opponieren? Diese Frage beschäftigte die Fraktionschefs der Linkspartei am Wochenende auf einer Tagung in Potsdam.

Die LINKE wäre bereit, in eine rot-rot-grüne Bundesregierung einzutreten. Das sagte Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi am Sonnabend in Potsdam. Dort hatten sich alle Landtagsfraktionschefs der Sozialisten zu einer Beratung mit Gysi und weiteren Politikern der Partei eingefunden.

Als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung nannte Gysi, dass die Kriegseinsätze der Bundeswehr aufhören. Außerdem sei er nicht bereit zu einer Koalition, wenn die Renten im Osten nicht endlich ans Westniveau angeglichen werden. Rot-Rot-Grün könnte einen gesetzlichen Mindestlohn einführen, erklärte Gysi. Aber wenn SPD und Grüne ein Bündnis mit der LINKEN ausschließen und sich gleichzeitig offen für die FDP zeigen, dann beweise dies, dass der SPD Ziele wie ein gesetzlicher Mindestlohn oder eine Reichen- steuer nicht so wichtig sein können. Mit der FDP wäre dies nämlich nicht zu machen.

Durch die rot-roten Landesregierungen, die es in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gegeben hat und in Brandenburg seit 2009 gibt, habe die LINKE einiges gelernt, meinte Gysi. So müsse den Wählern bewusst gemacht werden, was es ohne die LINKE nicht gegeben hätte. Beispielsweise das Vergabegesetz in Brandenburg, durch das Unternehmen hier keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten, wenn sie ihren Beschäftigten nicht wenigstens acht Euro Stundenlohn zahlen. Wäre die Koalition aus SPD und CDU im Jahr 2009 fortgesetzt worden, so wäre es dazu nicht gekommen.

»Wir können Opposition und Regierung«, erklärte Dora Heyenn, Linksfraktionschefin in der Hamburger Bürgerschaft. Ohne einen Politikwechsel werde sich die LINKE aber nirgends an einer Regierung beteiligen. In Brandenburg habe es einen Politikwechsel gegeben, bescheinigte Heyenn den märkischen Genossen. Zwar habe es bei der Konferenz der Linksfraktionschefs kritische Fragen gegeben, etwa zur Energiepolitik und zur weiteren Verstromung der Braunkohle in der Lausitz. Es sei aber auch von den Fraktionschefs aus dem Westen als »beeindruckend« empfunden worden, was die LINKE in Brandenburg erreicht habe, berichtete Heyenn. Sie verwies auf die Rettung aller Amtsgerichte und eine flächendeckenden Gesundheitsversorgung.

Die brandenburgische LINKE habe der SPD Zugeständnisse machen müssen, »die ihr nicht immer leicht gefallen sind, die aber aus unserer Sicht durch die erzielten Erfolge aufgewogen werden«, heißt es in einer Erklärung der Konferenz. Heyenn betonte, das Parteiprogramm könne niemals deckungsgleich mit dem Koalitionsvertrag sein. Man müsse immer Kompromisse machen. Niemand von den Fraktionsvorsitzenden habe die Ansicht geäußert, dass die Genossen in Brandenburg die Partei verraten hätten.

Dass die LINKE in einer Regierung immer Stimmen verliert, ist kein Naturgesetz. Schließlich legte sie bei der Landtagswahl nach der zweiten rot-roten Legislaturperiode in Mecklenburg-Vorpommern zu. Den Brandenburgern scheint es aber zu ergehen wie den Genossen in Berlin, die stark einbüßten. Die Umfragen sehen die märkische LINKE derzeit zwischen 20 und 22 Prozent. Gemessen an den 27 Prozent bei der Landtagswahl 2009 bedeutet dies einen dramatischen Verlust. »Der Bundestrend wirkte sich aus«, so Linksfraktionschef Christian Görke am Sonnabend. Der derzeitige Wert sei »ausbaufähig«, meinte er. »Wir werden zulegen. Das sichere ich zu.«

Die durchaus energische Bitte der ostdeutschen Landesvorsitzenden und Fraktionschefs um mehr innerparteilichen Einfluss für die ostdeutsche LINKE hat bei der Konferenz der Linksfraktionschefs in Potsdam offenbar nicht zu der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West geführt, die vorher von einigen befürchtet wurde. Der Ton blieb ruhig, sogar freundlich, wie ein kurzer Einblick in die Runde zeigte. Auch, was durch die verschlossenen Türen des Sitzungsraums 137 im Potsdamer Landtag drang, bestätigte diese Einschätzung. Die Hamburgerin Dora Heyenn urteilte verständnisvoll, da es im Osten mehr Mitglieder gebe und dort mehr Mitgliedsbeiträge gezahlt werden, könne sie die Unzufriedenheit nachvollziehen. »Darüber muss man reden.«

Auch der saarländische Fraktionschef Oskar Lafontaine und der Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch hatten in Potsdam keinen Streit miteinander. Sie haben sich sachlich ausgetauscht, hieß es, was Bartsch bestätigte. Nicht ganz einig waren sich dagegen Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov und die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann. Die Politikerin hatte kürzlich demonstrativ das Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot am Großflughafen Schönefeld unterschrieben. Die LINKE befürwortet zwar, dass die Anwohner von 22 bis 6 Uhr ihre Ruhe haben. Das Volksbegehren unterstützt die Partei jedoch wegen des enthaltenen Verlangens nach einem zusätzlichen Flughafenstandort nicht vorbehaltlos.

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