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Schattenboxen in Hannover

Niedersachsens CDU fällt auf ein Gerücht herein

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gerücht um einen - künftigen - Ministersessel war für die niedersächsische Staatskanzlei Grund genug, gegen den Vizepräsidenten des Staatsgerichtshofs einen Befangenheitsantrag zu stellen. Denselben nahm die Kanzlei wenige Stunden später zurück, als ihr klar wurde, dass sie einer »Ente« aufgesessen war.

Die nahende Landtagswahl macht Niedersachsens CDU/FDP-Regierung nervös. Deren derzeitige Dünnhäutigkeit wurde dieser Tage offenbar, als im Land das Gerücht umhergeisterte, die SPD wolle in einem künftigen Kabinett den Vizepräsidenten des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs in Bückeburg, Herwig van Nieuwland, zum Justizminister machen.

Angesichts dieses Gemunkels trat CDU-Fraktionschef Björn Thümler in der vergangenen Woche eine Politposse los. Er forderte: Die SPD müsse erklären, dass Nieuwland nicht für ein Schattenkabinett vorgesehen ist, denn: Sonst »könne man unterstellen, dass jemand für eine mögliche kommende Landesregierung gehandelt wird, der seit Monaten ein Verfahren gegen die amtierende Landesregierung führt«.

Antrag hin, Antrag her

Dabei geht es um eine Verfassungsklage der SPD-Fraktion vor dem Staatsgerichtshof. Sie fühlt sich von der Regierung nicht ausreichend über Details zur umstrittenen Promi-Party »Nord-Süd-Dialog« informiert und auch nicht über die Rolle, die Christian Wulff (CDU) in seiner Zeit als Ministerpräsident dabei spielte.

Womöglich fürchtete die CDU, Richter van Nieuwland könne daran interessiert sein, dass das Verfahren für die Landesregierung schlecht ausgeht und damit für ihn die Chancen auf ein Ministeramt steigen. »Hinter der Neutralität eines Richters«, so trompetete Thümler jedenfalls, »darf nicht das geringste Fragezeichen stehen.«

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Stefan Schostok, schlug zurück: Thümler selbst habe die Spekulationen um den Vizepräsidenten in die Welt gesetzt, um Druck auf den Staatsgerichtshof auszuüben. Der CDU-Mann sei »am Tiefpunkt seiner staatsbürgerlichen Seriosität angelangt«.

Wer gedacht hatte, mit diesem Schlagabtausch sei die Angelegenheit ausgestanden, sah sich enttäuscht. Am Freitag erreichte die Geschichte um Richter und Ministersessel ihren peinlichen Höhepunkt. Die Staatskanzlei von CDU-Ministerpräsident David McAllisters stellte im Verlauf des Vormittags einen Befangenheitsantrag gegen den vermeintlichen Ministerkandidaten van Nieuwland. Kaum war dies geschehen, meldete sich Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) zu Wort, der im Januar kommenden Jahres neuer Regierungschef werden will. Weil wies die Spekulationen um van Nieuwland entschieden zurück und erklärte, er habe in den vergangenen Wochen »zu keinem Mitglied des Staatsgerichtshofes Kontakt aufgenommen«.

Angesichts dieser Kunde zog die Staatskanzlei noch am Freitag den Befangenheitsantrag zurück, den sie erst Stunden zuvor gestellt hatte. Anstatt nun über dieses blamable Hin und Her zu schweigen, das allein durch ein nebulöses Geraune ausgelöst worden war, posaunte die Staatskanzlei den Versuch einer Rechtfertigung ins Volk: SPD-Spitzenkandidat Weil habe die Gerüchte über einen längeren Zeitraum nicht kommentiert und damit der Diskussion freien Raum gelassen.

Taktik der Verzögerung

»Die Staatskanzlei hat sich für eine billige Wahlkampfnummer einspannen lassen und dafür die Würde des obersten Gerichts des Landes preisgegeben«, bewertete SPD-Fraktionschef Schostok das Geschehen. Helge Limburg, Rechtsexperte der Landtagsgrünen, konstatierte: »Die Landesregierung betreibt Wahlkampf in der Gerüchteküche.« Ziel sei es dabei, den Abschluss des Verfahrens »um eine Lüge der Regierung Wulff« bis nach dem Wahltag zu verzögern.

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