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Vorladung nach Brüssel

Das Klima zwischen der EU und Russland ist zuletzt rauer geworden

Auch vor den an diesem Freitag stattfindenden EU-Russland-Gesprächen hat Brüssel kein Konzept, wie es mit dem früheren Gegner im Osten umgehen soll. Stattdessen werden Ressentiments gepflegt - und Moskau tut wenig, um diesen den Boden zu entziehen.

Gerade einmal zwei Stunden hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy für das heutige Gipfeltreffen eingeplant, zu dem er gemeinsam mit Kommissionschef José Manuel Barroso den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Brüssel eingeladen hat. Dass in dieser Zeit die von Van Rompuy vorgelegte Themenlisten abgearbeitet werden kann, ist illusorisch. Die Agenda reicht von Wirtschaftsfragen über die Zusammenarbeit im Energiebereich, beiderseitige Visafreiheit, Russlands Prioritäten für den kommenden G20-Vorsitz bis hin zu »internationalen und regionalen Fragen«.

Offensichtlich wird von der Begegnung nicht mehr als ein Protokollfoto für die Journalisten erwartet. Alles andere wäre auch überraschend. Denn das Klima zwischen beiden Seiten ist rauer geworden. In zahlreichen Bereichen gäbe es auf EU-Seite »ein nach wie vor tief verwurzeltes Misstrauen« gegenüber Russland, konstatiert der Europaabgeordnete Helmut Scholz (LINKE), der sich seit Jahren mit den europäisch-russischen Beziehungen beschäftigt. Dabei sieht sich die EU-Seite als Ankläger im Recht, schließlich bremse Moskau ein robustes Vorgehen des Westens gegen Syriens Staatschef Baschar al-Assad, gängele die Opposition im eigenen Land und verletze mit der Verurteilung der Punkerinnen von Pussy Riot die Menschenrechte. Überhaupt sei die Wahl Putins zum Präsidenten im Frühjahr nach westlichen Maßstäben nicht demokratisch verlaufen.

In der vergangenen Woche hatten die Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg mit einer Resolution zur Zukunft des europäisch-russischen Verhältnisses noch einmal nachgelegt. Zwar ist auch in diesem Dokument die Rede von der Notwendigkeit eines neuen Kooperations- und Partnerschaftsvertrages, der letzte ist bereits Ende 2007 ausgelaufen. Der Rest des Textes allerdings liest sich mehr wie ein Forderungskatalog an die russische Innenpolitik. Ohne eine vollständige Umsetzung der Forderungen nach demokratischen Reformen und der Errichtung eines Rechtsstaatsmodells nach westlichen Vorstellungen werde es keine Fortschritte in der Zusammenarbeit mit der russischen Regierung geben, so die Quintessenz.

Dabei widerspricht der politische Kurs Brüssels der ökonomischen Entwicklung. Nach Angaben der russischen Vertretung bei der EU übersteigt der Jahresumsatz der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen derzeit 200 Milliarden Euro, zwischen 2000 und 2008 hatte sich diese Zahl verdreifacht. Nach wie vor ist die EU der wichtigste Importeur von russischen Energieressourcen. Anfang Dezember hatte Putin den Bau der Gaspipeline South Stream nach Europa gestartet - ungeachtet der zumindest verbalen Bestrebungen der Europäer, sich von russischen Energielieferungen unabhängiger zu machen. South Stream wird nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur im Jahr 2020 rund zehn Prozent des in der EU verbrauchten Erdgases liefern.

Moskau allerdings will schon längst nicht mehr allein als Energie- und Rohstofflieferant anerkannt werden. So fallen auch die Reaktionen der russischen Führung auf die Vorhaltungen aus Brüssel zunehmend harscher aus. Auch in der EU sei die Menschenrechtssituation »alles andere als günstig«, konterte ein vor wenigen Wochen vom russischen Außenministerium vorgelegtes Papier die europäischen Attacken. Zu beobachten seien »zunehmende Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Neonazismus sowie die Einschränkung von Minderheitenrechten«, Diskriminierung von Frauen, Amtsmissbrauch sowie die Einschränkungen der Pressefreiheit. Dies stehe »im Widerspruch zum Rollenmodell, das die EU für sich beansprucht«.

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