Opfer eines geheimen Krieges

Ehemalige jugoslawische Geheimdienstler stehen in München vor Gericht

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
In München hat ein Prozess begonnen, der den Kalten Krieg wieder wach werden lässt. Kroaten wurden Opfer von Mordfällen, Täter saßen angeblich in Belgrad.

Seit vergangenem Freitag läuft in München ein Prozess, der Licht in einen Mordfall während des Kalten Krieges bringen soll. Vor dem Oberlandesgericht München müssen sich der 69-jährige Josip Perkovic und der 72-jährige Zdravko Mustac wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Den beiden kroatischen Ex-Geheimdienstlern wird vorgeworfen, 1983 den Mord an dem Exil-Jugoslawen und Oppositionellen Stjepan Durekovic geplant zu haben. Für das Verfahren sind 50 Verhandlungstage angesetzt, über 100 Journalisten aus aller Welt haben sich angekündigt. Der erste Zeuge soll am 4. November gehört werden. Die Witwe des Getöteten tritt als Nebenklägerin auf.

Der 28. Juli 1983 war ein sonniger Donnerstag. An diesem Tag wurde Durekovic in seiner Garage im oberbayerischen Wolfratshausen mit sechs Schüssen getötet. Die Garage in der Sauerlacher Straße 1 diente einem kroatischen Verlag als Druckerei. Der 57-Jährige war gut ein Jahr zuvor aus Jugoslawien über Österreich nach München geflohen. In seiner Heimat - Kroatien war damals eine Teilrepublik Jugoslawiens - hatte Durekovic als Manager beim staatlichen Erdölunternehmen INA gearbeitet. Und verfasste Manuskripte mit Titeln wie »Der Kommunismus, ein einziger Betrug«. In München, seit den 1960er Jahren eine Hochburg der Exilanten aus dem damaligen Ostblock, glaubte sich Durekovic sicher. Ein Irrtum, wie sich dann herausstellte. Und der Tod des Kroaten war auch nur ein Fall in einer Serie von Todes- und Mordfällen, denen in der Bundesrepublik Exil-Jugoslawen zum Opfer fielen.

München war nach dem Sieg der jugoslawischen Kommunisten auch der Fluchtpunkt vieler Emigranten aus dem Balkan - ein buntes Gemisch aus Faschisten, Monarchisten, Demokraten, Antikommunisten und Anarchisten, und diese setzten hier ihre Auseinandersetzungen fort, ein »Pulverfass«, wie die »Süddeutsche Zeitung« im Juni 1955 schrieb. Man träumte von einem unabhängigen Kroatien, übte in Trainingslagern den Partisanenkampf, organisierte Sprengstoff und Waffen, plante Anschläge in Jugoslawien und auf jugoslawische Konsulate. Dies alles quervernetzt mit dem amerikanischen und anderen Geheimdiensten und etwa den beiden Propagandasendern »Radio Free Europe« und »Radio Liberty«.

Immer wieder explodierte das »Pulverfass«. Im Oktober 1968 wurden im Haus Paul-Heyse-Straße 25 drei Exilkroaten ermordet. Darunter Mila Rukorina, Führer der exilkroatischen Faschisten in Westdeutschland und wegen Massenmords an Serben während des Zweiten Weltkrieges gesucht. 1969 wurde am Hasenbergl der serbische Monarchist Ratko Obradovic ermordet. 1972 wurde auf das jugoslawische Generalkonsulat am Böhmerwaldplatz 2 ein Bombenanschlag verübt. »Die meisten dieser Verbrechen blieben im Dunkel des Untergrundkampfes unaufgeklärt«, so das Fazit des München-Historikers Benedikt Weyerer. Mittlerweile wird von rund 30 Morden an Exilkroaten seit den 1960er Jahren ausgegangen.

Das Oberlandesgericht München sieht im Fall Durekovic dabei den jugoslawischen Geheimdienst als Auftraggeber. Es verurteilte 2008 den Exilkroaten Krunoslaw P. wegen Mittäterschaft zu lebenslang, er soll seinen Mittätern den Schlüssel zur Garage in Wolfratshausen besorgt haben. In der Urteilsbegründung hieß es, der »Rat für die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung« der jugoslawischen Teilrepublik Kroatien habe am 14. Dezember 1982 die Liquidierung von Durekovic angeordnet, der Befehl sei später von der Abteilung II (»Bekämpfung der feindlichen Emigration«) des Staatssicherheitsdienstes SDB in Belgrad bestätigt worden.

Eine besondere Rolle spielt in dem Münchner Prozess ein einstiger Mitarbeiter des kroatischen Geheimdienstes und späterer Informant des Verfassungsschutzes. Er machte Angaben zu den Mördern von Durekovic. Doch zwei der drei genannten Männer sind inzwischen tot, der dritte wurde in Bayern festgenommen, aber aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Blieben noch die Namen von Josip Perkovic und Zdravko Mustac, nach Angaben des Informanten angeblich die Drahtzieher des Mordanschlages und Angehörige des kroatischen Geheimdienstes. Der Generalbundesanwalt setzte einen internationalen Haftbefehl auf, doch Kroatien verweigerte die Auslieferung der beiden Männer.

Erst als das Land im vergangenen Jahr der Europäischen Union beitrat, veränderte sich die Situation. Perkovic wurde im Januar, Mustac im April ausgeliefert. Der nun beginnende Prozess soll Licht in den Mordfall Durekovic bringen. Zu Mustac heißt es: »Der Angeschuldigte war von 1982 bis Oktober 1985 Leiter des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstes SDS« und habe über Perkovic die Ermordung Durekovics angeordnet. Die Anwälte der Angeklagten vertreten die Meinung, der Informant, auf den sich die Anklage stützt, sei ein Geschichtenerzähler und Aufschneider.

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