Flüchtlinge kommen im Mai nach Tröglitz

Der Landkreis will damit eine Lehre aus dem Rücktritt des Bürgermeisters ziehen

  • Lesedauer: 3 Min.

Tröglitz. Nach dem Rücktritt des Bürgermeisters wegen rechtsextremer Anfeindungen wird Tröglitz voraussichtlich im Mai die ersten Asylbewerber aufnehmen. Das sagte eine Sprecherin des Burgenlandkreises am Dienstag. Zuvor sollen die Bewohner des Ortes bei einer Einwohnerversammlung informiert werden. Der Termin dafür sei der 31. März. »Wir wollen den Einwohnern die Chance geben, Fragen zu stellen«, sagte die Kreissprecherin weiter. Am Montagabend hatte der Kreistag beschlossen, dass in dem knapp 3000 Einwohner zählenden Ort Tröglitz insgesamt 40 Asylbewerber untergebracht werden sollen. Der Rücktritt des ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters Markus Nierth (parteilos) ruft derweil weiter Bedauern hervor.

Gegen die Pläne des Kreises, in Tröglitz Wohnungen für Asylbewerber anzumieten, hatten Rechtsextreme mehrfach demonstriert. Nierth war zurückgetreten, weil es auch vor seinem Haus Proteste geben sollte und er nach eigenen Angaben zu wenig Unterstützung erfuhr.

Der Vorfall hat inzwischen bundesweit Empörung ausgelöst. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) plant als Konsequenz eine Verordnung zum besseren Schutz von ehrenamtlichen Politikern. Der Erlass soll Kommunen die Möglichkeit einräumen, Versammlungen in Hör- und Sichtweite von Wohngrundstücken Ehrenamtlicher zu verbieten.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach am Dienstag in Berlin von einer »Tragödie für unsere Demokratie«, wenn ein gewählter Bürgermeister wegen Anfeindungen von Neonazis zurücktreten müsse. Politik und Zivilgesellschaft müssten gemeinsam klar Position beziehen und die Demokratie gegen rechtsextreme Umtriebe verteidigen.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte es »ein unheilvolles Signal für die Demokratie«, wenn ein gewählter Bürgermeister aus Sorge vor Übergriffen und Frustration über mangelnde Unterstützung seinen Hut nehme. Alle demokratischen Kräfte müssten verhindern, dass »sich der braune Mob Platz macht«.

LINKEN-Chef Bernd Riexinger sieht in den Tröglitzer Vorgängen das »Scheitern einer Politik, die soziale Probleme missachtet und auf dem rechten Auge blind ist«. Die Bundesregierung trage mit Verantwortung dafür, dass statt einer Willkommenskultur in einigen Teilen Deutschlands Ressentiments gegenüber Flüchtlingen überwögen. »Dass Fackelzüge bis vor die Privatwohnung eines Bürgermeisters in Tröglitz möglich waren und nicht von den Behörden verhindert wurden, ist vollkommen inakzeptabel«, sagte Riexinger.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wandte sich mit einem Schreiben an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Dieser solle sich persönlich einschalten und für ein konsequenteres Vorgehen gegen die zunehmenden Bedrohungsstrategien der Rechtsextremisten sorgen, verlangte Zentralrats-Vorsitzender Romani Rose. Der Rücktritt des Ortsbürgermeisters könne nicht folgenlos bleiben, mahnte er.

Wie indes die sogenannte Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt am Dienstag mitteilte, bleibt rechte und rassistische Gewalt in dem Land trotz eines leichten Rückgangs auf hohem Niveau. Im vergangenen Jahr wurden jede Woche zwei rechte Gewalttaten registriert. Die Jahresbilanz weist 103 solcher Fälle mit 140 direkt Betroffenen aus. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal