Ver.di: Post schüchtert systematisch Streikende ein

Betroffen sind befristete Beschäftigte / Konzern weist Vorwürfe zurück / Bundeswirtschaftsminister Gabriel offenbar eingeschaltet

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Berlin. Während die Gewerkschaft ver.di bei der Deutschen Post Verdi mit einer Ausweitung von Warnstreiks weiteren Druck auf den Konzern machen will, sorgt ein Bericht für Empörung, demzufolge Streikenden mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht wird.

Betroffen seien diejenigen Beschäftigten, die nur einen befristeten Vertrag haben, berichtete die »Süddeutsche Zeitung« unter Berufung auf ver.di. Die Gewerkschaft stütze sich dabei auf Anrufe, Gedächtnisprotokolle und Vermerke von Betroffenen. Die Post wies die Vorwürfe auf Anfrage der »SZ« ausdrücklich zurück.

Eine Arbeitnehmerin zitierte eine Führungskraft dem Bericht zufolge mit den Worten, die »übergeordneten Stellen« schauten darauf, wer streike und wer nicht: »Und die haben auch schon den Hinweis gegeben, dass sie gerade bei befristeten Kräften genau auf die Verträge schauen.« In einem Zustellstützpunkt habe der Leiter mit allen befristet Beschäftigten, die an einem Warnstreik teilnahmen, Einzelgespräche geführt. »Einige sind total eingeschüchtert und erklärten mir, dass sie an keinem Streik mehr teilnehmen«, habe daraufhin eine Betriebsrätin der Gewerkschaft berichtet.

Ver.di-Vize Andrea Kocsis stellte die Vorwürfe laut »SZ« in anonymisierten Zitaten in einem vierseitigen Brief an SPD-Chef Gabriel zusammen und sagte, Zeitpunkt, Wortwahl und Argumentationsketten fügten sich zu einem »systematisch gesteuerten Bild«. Die Gewerkschaft habe Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in der Angelegenheit eingeschaltet, der die Vorwürfe offenbar für glaubhaft halte.

In seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender habe Gabriel den Vorstandschef der Post, Frank Appel, zur Stellungnahme aufgefordert. Die »SZ« zitierte aus dem Brief: »Offenbar haben Vorgesetzte Druck ausgeübt, um Verdi-Mitglieder gegen ihre Gewerkschaft in Stellung zu bringen.« Allen Arbeitgebern, »ganz besonders aber den großen Unternehmen mit Bundesbeteiligung«, müsse jedoch die »unbedingte Achtung sowohl persönlicher wie kollektiver Arbeitnehmerrechte abverlangt werden«. Der Bund hält an der Post AG noch 21 Prozent.

Die Deutsche Post reagierte auf »SZ«-Anfrage mit einem schriftlichen Statement eines Sprechers. Es sei »nicht Teil unseres Führungs- und Kommunikationsverständnisses, Druck auf ver.di-Mitglieder auszuüben«, zitierte die Zeitung daraus. Es sei »jedoch selbstverständlich, dass unsere Führungskräfte unseren Beschäftigten die Auffassung des Unternehmens zur Notwendigkeit der Schaffung wettbewerbsfähiger Löhne intensiv erläutern und mit ihnen diskutieren«. In dem Konflikt geht es um Löhne, Arbeitszeiten sowie den Plan der Post, einen Teil des Paketgeschäfts auszulagern.

Ver.di wirft der Post laut »SZ« zudem vor, im April Streikenden zu viel Lohn abgezogen zu haben - und zwar pro Streiktag 1/23 ihres Lohns, obwohl nur 1/30 zulässig gewesen wären. Dazu habe die Post erklärt, sie werde ihre Praxis nun umstellen. Mit der Lohnzahlung im Juni werde die April-Auszahlung »korrigiert« und die Differenz erstattet. Die Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke, sagte der »SZ«, die Bundesregierung müsse »endlich ihren Einfluss im Aufsichtsrat nutzen, damit die Post zu einem fairen Umgang zurückfindet«.

Ver.di fordert für die 140.000 Mitarbeiter eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. In der vierten Verhandlungsrunde hatte das Management ein Angebot vorgelegt, das ver.di aber strikt ablehnte. Daraufhin wurden die Verhandlungen abgebrochen. Hintergrund ist die Gründung von 49 Gesellschaften in der Paketzustellung, die ver.di für unzulässig hält. Als Entschädigung dafür fordert sie kürzere Arbeitszeiten.

Ab Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch seien die Beschäftigten in allen 83 Briefzentren aufgerufen worden, ihre Arbeit niederzulegen, teilte ver.di mit. Durch den bundesweiten Ausstand in der Postbearbeitung werde es bei der Zustellung deutschlandweit zu Verzögerungen kommen. Streiks gebe es außerdem in anderen Bereichen wie dem Fahrdienst und der Großkundenannahme. In den kommenden Tagen würden die Streikmaßnahmen fortgesetzt, hieß es. Agenturen/nd

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