Justizminister fordert neue Rechtsgrundlage für BND

Maas: Gesamte Tätigkeit demokratischer Kontrolle unterwerfen / CDU-Vize Strobl plädiert ebenfalls für Neuregelung / Zweifel an plötzlich gelobter BND-Rolle bei Ergreifung Bin Ladens

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Update 8 Uhr: Die »Bild am Sonntag« will erfahren haben, dass der BND »wichtige Hilfe bei der Suche nach dem damals meistgesuchten Terroristen der Welt« Osama bin Laden geleistet haben soll. Unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise heißt es, die Hinweise des deutschen Auslandsgeheimdienstes hätten für die Ergreifung des Mannes eine »grundsätzliche Bedeutung« gehabt. Bisher war davon nichts bekannt - dass die Zeitung jetzt, mitten in der BND-Affäre, mit dieser Geschichte kommt, wirft Fragen auf. Auch der »Spiegel« sieht die Sache skeptisch: »Bislang war nie etwas von einer entscheidenden deutschen Rolle bei der Ergreifung Bin Ladens bekannt geworden. Im Gegenteil: Experten halten den BND in Pakistan für relativ ahnungslos, Erkenntnisse hat der Dienst dort fast nur über deutsche Dschihadisten.« Und weiter: »Ausgerechnet jetzt verbreitet sich die Nachricht von der angeblichen Heldentat des BND im Fall Bin Laden. Kann man das glauben?« Die »Bild am Sonntag« schreibt: »Es gibt eine Menge zu kritisieren an der Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-Geheimdiensten. Aber es gab durchaus auch Erfolge im Kampf gegen den Terror.« Letzteres, staatliche Maßnahmen gegen potenzielle Terrorgefahren, wird von den Befürwortern des Geheimdienstes gern als Begründung für dessen Existenz angegeben.

Justizminister fordert neue Rechtsgrundlage für BND

Berlin. In Reaktion auf den Geheimdienstskandal will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes auf eine neue Rechtsgrundlage stellen. »Wir müssen die gesamte Tätigkeit des BND einer demokratischen Kontrolle unterwerfen«, sagte Maas der »Welt am Sonntag«. »Es darf auch für Geheimdienste keine rechtsfreien Räume geben.«

Eine deutsche Behörde müsse auch deutsche Grundrechte beachten, sagte Maas. Es müsse »sehr konkret« geprüft werden, ob die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des BND ausreichen. »Vieles spricht dafür, dass wir diese Vorgaben deutlicher formulieren müssen«, sagte Maas. Der Minister forderte auch mehr Mittel für die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste. »Die Forderung vieler Abgeordneter nach einer besseren Ausstattung der Gremien zur Kontrolle der Dienste ist sehr berechtigt«, sagte Maas.

Als überfällig bezeichnete der Bundesjustizminister eine Reform der sogenannten G-10-Kontrolle. Dabei geht es um Daten, die dem Schutz des in Artikel 10 des Grundgesetzes garantierten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses unterliegen. Bisher entscheidet eine vom parlamentarischen Kontrollgremium berufene G-10-Kommission, inwieweit der BND in dieses Grundrecht eingreifen darf.

Es besteht der Verdacht, dass der BND im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA auch deutsche Bürger und Unternehmen ausspionierte. Der NSA hatte dem deutschen Auslandsgeheimdienst eine Liste mit Suchkategorien - sogenannten Selektoren - übermittelt, auf deren Grundlage der BND für ihn Informationen sammeln sollte. Darunter waren offenbar auch Daten über deutsche Bürger und Unternehmen. Opposition und SPD fordern seit Tagen die Veröffentlichung der Liste der Selektoren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will dafür zunächst die Zustimmung der US-Regierung einholen. Angesichts des Zögerns der Kanzlerin forderte der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel, die Liste notfalls auch gegen den Willen der USA freizugeben. »Wir müssen dem deutschen Parlament in geeigneter Weise Einblick in die Unterlagen des BND geben«, sagte Gabriel der »Bild am Sonntag«. »Da muss man als Bundesregierung auch mal Rückgrat zeigen.«

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl sprach sich ebenfalls für eine Reform der Rechtsgrundlage des BND aus, warf zugleich aber der SPD »Hysterie« vor. »Wir brauchen eine klarstellende Rechtsgrundlage für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND«, sagte Strobl der »Welt am Sonntag«. »Hier sind wir zu einer zügigen Neuregelung bereit und erwarten entsprechende Vorschläge der Bundesregierung.« Die gesetzliche Grundlage müsse »auch die Grenzen für den BND« beschreiben.

Allerdings kritisierte Strobl das Verhalten der Opposition und von Teilen der SPD. »Reflexhafte Vorverurteilungen ohne jedes Sachwissen helfen nicht weiter«, sagte Strobl. Er rief die SPD zu einem »fairen, anständigen Umgang« in der Koalition auf. »Es geht nicht, dass die SPD von Lüge oder einer Täuschung der Wähler spricht«, sagte er mit Blick auf Vorwürfe, das Kanzleramt habe vor der Wahl 2013 nicht wahrheitsgemäß über Verhandlungen mit den USA über ein No-Spy-Abkommen berichtet. Agenturen/nd

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