Kunststoff nach Maß aus Schkopau

Am früheren Buna-Standort in Sachsen-Anhalt werden noch immer Polymere erforscht

  • Lesedauer: 3 Min.
Vom Polymer zum Bauteil nach Maß - in der Heimat der »Plaste und Elaste« wird seit vielen Jahren am perfekten Kunststoff geforscht. Bis 2018 soll der Standort in Schkopau (Sachsen-Anhalt) weiter wachsen.

Schkopau. Michael Bartke wirft einen prüfenden Blick auf die tonnenschwere Maschine vor sich. Mehrere weiße Fäden aus Kunststoff laufen aus unterschiedlichen Richtungen an ihm vorbei. Sie münden in einer Walze. Dort werden sie gebündelt und zu Platten gepresst. Der Clou: Die Fäden sind mit Glasfasern verstärkt. Aus ihnen lassen sich robuste und zugleich extrem leichte Bauteile herstellen. »Wir betreiben hier anwendungsorientierte Forschung«, sagt Bartke.

Seit mehreren Jahren leitet Bartke den Forschungsbereich des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung (PAZ) in Schkopau (Sachen-Anhalt). Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine hochmoderne Wissenschaftsstätte inmitten des mitteldeutschen Chemiedreiecks. Bis 2018 soll das PAZ weiter wachsen - für 15 Millionen Euro. Die PAZ-Erfolgsgeschichte begann vor zehn Jahren. Für 19 Millionen Euro wurde das Zentrum im Jahr 2005 im Value-Park, dem Industriepark der Dow Olefinverbund GmbH in Schkopau, gegründet. Ein Dutzend Mitarbeiter bauten es auf. Heute sind 31 Angestellte darin beschäftigt. In rund drei Jahren sollen es 50 sein.

Der Value-Park gilt als eine Wiege der Kunststoffproduktion. Zu DDR-Zeiten war Schkopau bekannt durch die damaligen Buna-Werke - sie waren mit 18 000 Beschäftigten eines der größten Industriekombinate der DDR. Der Werbespruch »Plaste und Elaste aus Schkopau« verbreitete sich weltweit. Nach dem Ende der DDR übernahm der amerikanische Konzern Dow Chemical große Teile der Produktionsanlagen, aber nur eine geringe Zahl an Beschäftigten. Ein Großteil der veralteten Produktionsanlagen wurde abgerissen, der Boden saniert. Heute arbeiten auf dem rund 150 Hektar großen Areal mit seinen Chemieanlagen, Labors und Büros vergleichsweise wenige Menschen.

Das Ziel des 2005 gegründeten PAZ war und ist es, neue Technologien zur Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen für andere Unternehmen zu entwickeln. Die Auftraggeber sind vor allem kleinere Firmen, die sich keine eigene Forschungsabteilung leisten könnten, erklärt Bartke. Vor allem in der Automobilbranche, aber auch im Fahrrad- oder Flugzeugbau wird nach besonders harten, extrem leichten und vor allem günstigen Kunststoffen gesucht.

Die besondere Leistung des PAZ: Neue Materialien werden nicht nur im Labor in kleinen Reagenzgläsern getestet, sondern in riesigen Kesseln im Industriemaßstab. So finden die Forscher für ihre Kunden heraus, welche Stoffe sich für eine kommerzielle Nutzung eignen. Das Angebot im PAZ sei europaweit einmalig, erklärt ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Magdeburg. Auf die Ideenschmiede ist das Land stolz. Geld in Millionenhöhe fließt aus Sachsen-Anhalt.

Bartke betritt, ausgerüstet mit Schutzhelm und -brille, eine Halle. In großen Reaktoren werden sogenannte Polymere, wie bestimmte Molekülketten genannt werden, erforscht. Sie sind der Ausgangspunkt für Kunststoff. Das Ziel sei es, mit einer neuen Anordnung der Elemente in den Polymerketten leistungsfähigere Kunststoffe zu entwickeln oder neue Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen - etwa Synthesekautschuk für umweltfreundliche Reifen herzustellen.

In einer zweiten Halle ist es lauter. »Hier kann man etwas spielen«, sagt der Leiter der Polymerverarbeitung, Peter Michel. Die Polymere werden hier von riesigen Maschinen zu modernen Bauteilen nach Maß verarbeitet - wie Heckklappen oder Rahmenteile für Autos.

Das PAZ ist eine gemeinsame Initiative der Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung (IAP) und Werkstoffmechanik (IWM). Zu den Kunden des PAZ gehören Autohersteller wie BMW in Leipzig, Mercedes in Berlin oder Opel in Eisenach. Aber auch weltweit interessieren sich Auftraggeber für die Kunststoffe. In diesem Monat kann das PAZ sein zehnjähriges Jubiläum feiern. dpa/nd

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