Hollande will Ausnahmezustand um drei Monate verlängern

Französische Polizei findet Kalaschnikows in sichergestelltem Auto /Sieben Festnahmen nach Anschlagsserie in Paris / Französische Regierung spricht von »Kriegsakt« / Weltweite Solidaritätsbekundungen

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Update 19.50 Uhr Hollande spricht am Montag vor dem Kongess
Drei Tage nach den verheerenden Anschlägen in Paris wird Frankreichs Präsident François Hollande am Montag im Schloss von Versailles vor dem Kongress sprechen. Die Versammlung der beiden Parlamentskammern beginnt gegen 16.00 Uhr. Nach der Ansprache des Staatsoberhaupts wird es eine Debatte geben, in der jede Partei zehn Minuten Redezeit hat. Es ist das erste Mal seit 2009, dass sich ein Präsident vor den Abgeordneten und Senatoren äußert. Am Montag ist in Frankreich zudem um 12.00 Uhr eine Schweigeminute geplant, um der Opfer der islamistischen Anschläge vom Freitagabend zu gedenken. Die Europäische Union hat zu einer europaweiten Schweigeminute aufgerufen.

Update 19.40 Uhr: EU-Außenminister treffen sich am Montag
Unter dem Eindruck der Anschläge von Paris kommen die EU-Außenminister am Montag zu ihrem November-Treffen zusammen (09.30 Uhr). Der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft zufolge wird die Zusammenkunft Gelegenheit bieten, der Solidarität mit Frankreich Ausdruck zu verleihen. Offiziell auf der Tagesordnung steht die Suche nach politischen Lösungen für die Konflikte in Syrien, Libyen und Nahost sowie die Flüchtlingskrise. Darüber hinaus befassen sich die Außenminister mit den Wahlen im über Jahrzehnte vom Militär regierten Myanmar, bei denen die Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi eine klare Mehrheit erringen konnte.

Update 18.47 Uhr: Belgische Justiz schreibt Terrorverdächtigen zur Fahndung aus
Nach den Terroranschlägen von Paris ist ein Verdächtiger auf der Flucht. Die belgische Justiz schrieb im Zusammenhang mit den Ermittlungen eine Person international zur Fahndung aus, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga am Sonntag unter Berufung auf die zuständige Staatsanwaltschaft berichtete.

Update 17.50 Uhr: Hollande will Ausnahmezustand um drei Monate verlängern
Offenbar plant Frankreichs Präsident Hollande, den derzeit landesweit geltenden Ausnahmezustand um drei Monate zu verlängern. Wie die Zeitung »Libération« berichtet, soll ein entsprechender Antrag am Mittwoch dem Parlament vorgelegt werden. Frankreich Verfassung schreibt vor, dass jede Verlängerung eines Ausnahmezustands, der mehr als zwölf Tage dauert, genehmigt werden muss.

Update 17.05 Uhr: »Krieg«? Hollande erntet Widerspruch
Die rhetorische Zuspitzung seitens der französischen Staatsführung ist auf Kritik in der konservativen Opposition gestoßen. Der konservative frühere Premier Dominique de Villepin wies die Behauptung zurück, dass Frankreich »im Krieg« sei – wer so rede, spiele nur den Extremisten in die Hände. »Die Falle, die uns gestellt wird, ist die Idee, dass wir einen Krieg führen müssen«, sagte Villepin mehreren Medien. Eine »Bande fanatischer Mörder« wolle das Land spalten und »in einen Bürgerkrieg« stürzen, doch dürfe die Regierung nicht in diese Falle gehen, warnte er. Zuvor hatten Frankreichs sozialdemokratischer Premier Manuel Valls und Staatspräsident François Hollande vom »Krieg« gesprochen.

Update 15.30 Uhr: Zwei Attentäter von Paris in Belgien lebende Franzosen
Zwei der getöteten Attentäter von Paris sind nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft als in Belgien lebende Franzosen identifiziert worden. Die beiden Männer hätten in Brüssel gelebt, erklärte die Staatsanwaltschaft am Sonntag. Zudem seien zwei der bei den Anschlägen genutzten Fahrzeuge in Belgien gemietet worden.

Insgesamt wurden im Zusammenhang mit den Anschlägen in Belgien demnach seit Samstag sieben Verdächtige festgenommen. Festnahmen gab es vor allem im Brüsseler Stadtteil Molenbek. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Anschläge islamischer Fundamentalisten, die von Einwohnern dieses Viertels verübt oder organisiert wurden.

Update 14.35 Uhr: Gauck nennt Anschläge von Paris eine »neue Art von Krieg«
Bundespräsident Joachim Gauck hat nach den Anschlägen in Paris von einem »Krieg« gesprochen. »Wir leben in Zeiten, in denen wir Opfer einer neuen Art von Krieg beklagen«, sagte Gauck am Sonntag in der zentralen Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Bundestag in Berlin. Frankreichs Präsident François Hollande hatte die Anschlagsserie mit 129 Toten zuvor als »Kriegsakt« bewertet.

Gauck sagte, die Opfer seien Opfer hinterhältig agierender Mordbanden. »Es sind Terroristen, die im Namen eines islamistischen Fundamentalismus zum Kampf gegen die Demokratien, gegen universelle Werte und auch gegen Muslime aufrufen, die ihrer barbarischen Ideologie nicht folgen.« Der Anschlag habe Frankreich gegolten, aber auch der offenen Gesellschaft. (Hier finden Sie die komplette Rede im Wortlaut)

Update 14.20 Uhr: Bundesanwaltschaft ermittelt nach den Anschlägen von Paris
Nach dem Tod eines Deutschen bei den Terroranschlägen in Paris hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Ermittlungen aufgenommen. Es sei üblich, dass die Behörde eingeschaltet werde, wenn bei Anschlägen im Ausland Deutsche ums Leben kommen, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Details nannte sie nicht. Zuvor hatte das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass bei den islamistischen Attentaten von Paris auch ein Deutscher getötet worden sei.

Update 13.40 Uhr: Frankreichs Innenminister fordert Sondertreffen der EU-Innenminister
Nach den Anschlägen von Paris hat Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve ein Sondertreffen der EU-Innenminister gefordert. Der Kampf gegen den Terrorismus müsse »auf allen Ebenen noch verstärkt werden und besonders auf der europäischen und der internationalen Ebene«, erklärte das französische Innenministerium am Sonntag. Cazeneuve regte als Termin den kommenden Freitag an - genau eine Woche nach den koordinierten Anschlägen an sechs Orten der französischen Hauptstadt.

Update 13.20 Uhr: Fünf Festnahmen von Verdächtigen in Brüssel
Bei der Anti-Terror-Razzia im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sind nach Angaben der Bürgermeisterin insgesamt fünf Personen festgenommen worden und nicht wie bisher bekannt nur drei. »Es ist anzunehmen, dass es sich um ein Netzwerk handelt«, sagte Françoise Schepmans am Sontag dem Rundfunksender RTBF. Nähere Informationen gab sie allerdings nicht.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Vorabend nach einer großen Polizeiaktion in Molenbeek bestätigt, dass eine Spur der Attentäter von Paris nach Belgien führt und von mehreren Festnahmen gesprochen. Die Ermittler verwiesen darauf, dass die Pariser Behörden in vier konkreten Fällen in Brüssel um Amtshilfe gebeten hätten. Unter anderem sei es dabei um Informationen zu einem in Belgien angemeldeten Mietwagen gegangen, der in der Nähe der Pariser Konzerthalle »Bataclan« gefunden worden war.

Update 13.00 Uhr: Polizei findet Kalaschnikows in sichergestelltem Seat
Mindestens einem Terrorkommando scheint nach den Anschlägen von Paris zunächst die Flucht gelungen zu sein. Französische Ermittler stellten am Sonntag ein weiteres Auto in einem Vorort östlich von Paris sicher, wie französische Medien übereinstimmend berichteten. Im Fahrzeug seien drei Kalaschnikows entdeckt worden. Diese Sturmgewehre hatten die Terroristen bei den Überfallen in Paris verwendet.

Der schwarze Seat soll nach Einschätzung der Ermittler von den Terroristen benutzt worden sein, die vor mehreren Cafés und Restaurants wahllos Menschen erschossen. Unklar blieb, ob der oder die Täter weiter auf der Flucht sind, oder bereits am Samstag in Belgien gefasst wurden.

Mehrere Angehörige eines der Selbstmordattentäter aus dem Pariser Konzertsaal »Bataclan« haben Ermittler in Polizeigewahrsam genommen. Das berichtet der französische Fernsehsender BFMTV. Die Befragung von Angehörigen gehört in solchen Fällen zu den Ermittlungen.

Bereits am Samstag war bekanntgeworden, dass Vater und Bruder eines Selbstmordattentäters in Polizeigewahrsam kamen. Die Wohnungen der beiden Männer wurden durchsucht. Der Bruder des 29-jährigen Attentäters lebt demnach in einem Ort südlich von Paris, der Vater gut 100 Kilometer weiter östlich.

Der bei dem Anschlag gestorbene Franzose war anhand eines Fingerabdrucks identifiziert worden. Bei den Terroranschlägen in Paris hatten die Attentäter am Freitagabend mindestens 129 Menschen getötet.

Update 11 Uhr: Deutscher unter den Opfern von Paris
Bei der Anschlagsserie in Paris ist auch mindestens ein deutscher Staatsbürger getötet worden. Das gab das Auswärtige Amt am Sonntag bekannt. »Die Identifizierung der Opfer ist noch nicht vollständig abgeschlossen, es liegen auch noch keine vollständigen Angaben über die Identitäten der Verletzten vor«, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.

Festnahmen nach Anschlagsserie in Paris

Berlin. Nach den verheerenden Attentaten in Paris, die 129 Opfer gefordert haben, arbeiten die Ermittler fieberhaft an der Aufklärung der Anschlagsserie. Der erste der sieben Attentäter wurde am Samstag als polizeibekannter Franzose identifiziert. Einer seiner Komplizen stammt womöglich aus Syrien. Eine weitere Spur führt nach Belgien, wo drei Verdächtige festgenommen wurden.

»Sieben Terroristen starben während ihrer kriminellen Handlungen«, sagte der Pariser Staatsanwalt François Molins. Einer der Angreifer sei identifiziert worden. Der 1985 im Süden von Paris geborenen Mann sei in den vergangenen Jahren acht Mal wegen gewöhnlicher Straftaten verurteilt worden und den Behörden wegen seiner Radikalisierung aufgefallen. Der Vater und der Bruder des 29-Jährigen wurden am Samstagabend in Polizeigewahrsam genommen, wie aus Ermittlerkreisen verlautete.

Eine Spur der Attentäter führt nach Belgien: In Brüssel wurden drei Verdächtige festgenommen. Die Festnahmen stehen in Verbindung mit dem Kleinwagen, der von den Angreifern in der Konzerthalle Bataclan benutzt wurde. Die belgische Staatsanwaltschaft leitete am Abend Ermittlungen in vier Fällen wegen Beteiligung an einem Terrorakt ein. Einer der Verdächtigen soll sich am Freitagabend in Paris aufgehalten haben.

Die Ermittler prüfen außerdem eine Verbindung der Attentäter nach Syrien. Nahe der Leiche eines Selbstmordattentäters sei ein syrischer Pass gefunden worden, sagte Staatsanwalt Molins. Der 1990 in Syrien geborene Inhaber sei den Behörden nicht bekannt. Der griechische Zivilschutzminister Nikos Toskas sagte, der Passinhaber sei am 3. Oktober auf der Insel Leros angekommen und als Flüchtling registriert worden. Aus französischen Polizeikreisen war verlautet, der Pass sei in der Nähe der Leiche eines der Angreifer in der Konzerthalle Bataclan entdeckt worden. Demnach gehen die Ermittler zusammen mit ausländischen Geheimdiensten derzeit einer »syrischen Spur« nach.

Aus griechischen Polizeikreisen verlautete, die französischen Behörden hätten Griechenland nicht nur gebeten, die Passdaten und Fingerabdrücke in diesem Fall zu prüfen, sondern auch die Fingerabdrücke eines zweiten Mannes mit denen von registrierten Flüchtlingen abzugleichen. Dabei sei festgestellt worden, dass auch der zweite Mann in Griechenland registriert worden sei. Laut dem Fernsehsender Mega soll der Mann ebenfalls auf Leros, allerdings schon im August, eingetroffen sein.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras warnte vor Vorverurteilungen. Er hob am Samstag in einer Fernsehansprache hervor, dass die Flüchtlinge ja gerade vor dem IS aus Syrien flöhen. Sie würden von »denselben Terroristen gejagt«, die am Freitag in Paris zugeschlagen hätten, sagte Tsipras nach einem Krisentreffen.

Zu den Anschlägen bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). »Acht Brüder mit Sprengstoffgürteln und Sturmgewehren« hätten den Angriff verübt, erklärte der IS im Internet. Augenzeugen berichteten, die Angreifer hätten bei der Erstürmung des Bataclan »Allah Akbar« (Gott ist groß) gerufen. Zudem hätten sie die französischen Luftangriffe auf die IS-Miliz in Syrien verurteilt.

Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem »Kriegsakt, der von einer terroristischen Armee, dem IS, verübt wurde«. Er rief die Franzosen in einer Ansprache zur Einheit auf und verhängte den Ausnahmezustand im ganzen Land. Er kündigte einen »unerbittlichen« Kampf gegen Dschihadisten in Frankreich und im Ausland an. Premierminister Manuel Valls sagte am Samstagabend, Frankreich sei »im Krieg« und werde den »Feind« angreifen, um ihn »zu zerstören«.

Schwerbewaffnete Angreifer hatten am Freitagabend bei einem koordinierten Großangriff sechs Ziele in Paris attackiert, darunter mehrere Bars und Restaurants und die Konzerthalle Bataclan im Herzen der französischen Hauptstadt. Drei Selbstmordattentäter sprengten sich nahe dem Stade de France im Norden von Paris in die Luft, wo zum Zeitpunkt der Anschläge ein Freundschaftsspiel der Fußball-Nationalmannschaften Frankreichs und Deutschlands stattfand.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gingen die Angreifer bei den Anschlägen offenbar in »drei Teams« vor. Das Bataclan wurde von drei mit Schnellfeuergewehren und Sprengstoffgürteln bewaffneten Männern attackiert, die in einem Polo vorfuhren. Kurz nach Mitternacht stürmte die Polizei den Saal, in dem sich bis zu 1500 Menschen aufhielten. Zwei Angreifer sprengten sich in die Luft, der dritte wurde von einer Polizeikugel getroffen, auch sein Sprengstoffgürtel explodierte.

Zuvor hatten Angreifer aus einem Auto heraus auf die Besucher mehrerer Bars und Restaurants geschossen. Mehrere dutzend Menschen starben. Insgesamt gab die Pariser Staatsanwaltschaft die Zahl der Todesopfer mit 129 an, allein 89 Besucher des Rockkonzerts im Bataclan wurden getötet. 352 Menschen wurden bei den Angriffen verletzt, 99 von ihnen lebensgefährlich.

In Paris kam das öffentliche Leben praktisch zum Erliegen: Schulen, Bibliotheken und Museen wurden geschlossen, Konzerte abgesagt und Sportveranstaltungen annulliert. Die Regierung mobilisierte 3.000 weitere Soldaten, um auf den Straßen, in Bahnhöfen und besonders gefährdeten Orten zu patrouillieren.

Weltweit bekundeten am Samstag bei Trauermärschen tausende Menschen ihre Solidarität mit Frankreich. Wahrzeichen wie das One World Trade Center in New York und das Opernhaus in Sydney wurden in den französischen Nationalfarben erleuchtet. Auch das Brandenburger Tor in Berlin erstrahlte in den Farben der Trikolore. Die nahegelegene französische Botschaft zierte ein Meer von Kerzen und Blumen. Agenturen/nd

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