Abschiedstour durchs Unterhaus

Nach dem Sieg in Fürth trennen RB Leipzig bereits elf Punkte vom vierten Tabellenplatz

Die »Roten Bullen« nehmen Kurs in Richtung Aufstieg: RB Leipzig überwintert dank des 2:1 (0:0)-Erfolgs bei Greuther Fürth vom Samstag ungefährdet an der Tabellenspitze der 2. Fußball-Bundesliga.

Von Christoph Ruf, Fürth

Aus Fürther Sicht hätte der Samstag nun wirklich besser laufen können - allein schon klimatisch. Da hatten sich deren Ultras eine Aktion ausgedacht, die sie zumindest selbst originell fanden, und dann herrschten beim Anpfiff 15 Grad plus. Und damit mindestens 15 mehr als man zum Gelingen der Aktion gebraucht hätte. Eigentlich war geplant gewesen, im Gästeblock so viel Wasser zu vergießen, dass die Gästefans darauf ausrutschen würden. Doch angesichts der frühlingshaften Temperaturen musste darauf verzichtet werden. Stattdessen wurden 20 Liter Pflanzenöl in Block 5 ausgeschüttet - eine merkwürdige Öl-Wasser-Schere zum Transparent, das im Heimbereich beim Anpfiff emporgereckt wurde: »Bullen auf Eis legen!«

Nein, RB ist nach wie vor nicht beliebt, auch (oder gerade?) nicht in Fanszenen, die sich als progressiv begreifen. Aber den Gefallen, irgendwo auszurutschen, tun sie ihren Gegnern eben auch nicht. Die Leipziger Fans nehmen die Anfeindungen sowieso mit Humor, vor dem Anpfiff präsentierten sie ein Meer aus bunten Fahnen und gelobten einen Höhenflug (»Flying high on RBL«).

Den hatten die Spieler auf dem Rasen dann tatsächlich. Und wenn der Jubel nach dem verdienten 2:1-Sieg so stark ausfiel, lag das auch daran, dass von allen Fußballweisheiten diejenige möglicherweise die dämlichste ist, die behauptet, dass es beim Fußball am Ende nur um drei Punkte geht.

Eben nicht, ein Sieg mit der Dramaturgie vom Samstag macht wohl doppelt Spaß. Bis zur 90. Minute hatte zwar auch alles darauf hingedeutet, dass RB dieses Spiel gewinnen würde. Fürth hingegen hatte sich nach Kräften gewehrt, doch die Kräfte waren eben begrenzt. Zu viele Fehlpässe, zu inkonsequent im Nachrücken, wie es eben so läuft, wenn es nicht so recht laufen will.

Doch dann köpfte Benedikt Röcker in der ersten Minute der Nachspielzeit den 1:1-Ausgleich. Was sich für die 8500 Fürther Fans unter den 10 000 Zuschauern dramaturgisch bereits sehr nach Weihnachten mit gerade noch vor dem Verbrennen geretteter Gans anfühlte. Doch dieses Gefühl dauerte nur ein paar Sekunden. Dann schoss Stefan Ilsanker den 2:1-Endstand (90.+3.). Die Führung hatte zuvor Youssef Poulsen erzielt (48.), der damit ziemlich deutlich veranschaulichte, was der Unterschied zwischen dem Personal eines handelsüblichen Zweitligisten und dem von Red Bull ist.

Nicht nur der Pass von Emil Forsberg war von der Güte, die es braucht, wenn man von gefühlt 17 der 18 Zweitligatrainer zum Topfavoriten des Klassements erklärt wird. Auch die Art und Weise, wie Poulsen seine Gegenspieler abschüttelte, Keeper Sebastian Mielitz aussteigen ließ und den Ball einschob, verriet ganz besondere Klasse. Es war ein Bewegungsablauf wie aus einem Guss; Gegenspieler Röcker wirkte dabei wie einer jener Plastikdummys, die man beim Freistoßtraining zur Simulation einer Mauer aufbaut.

»Ich bin mit dem Ergebnis, aber auch mit dem Spiel der Mannschaft sehr zufrieden«, sagte dann auch Trainer Ralf Rangnick. »Die Mannschaft versucht, die Dinge umzusetzen, die wir sehen wollen.« Leichte Kritik an der Konsequenz im letzten Drittel des Spielfeldes hatte der gestrenge Coach aber doch noch parat: »Diese extrem spannende Schlussphase wäre uns erspart geblieben, wenn wir früher das zweite Tor gemacht hätten.«

Und dennoch: RB Leipzig hat bereits acht Punkte Vorsprung auf den Dritten, zum ersten Nicht-Aufstiegsplatz sind es sogar elf Punkte. Man muss kein Prophet sein, um schon mal eine Flasche Bordeaux darauf zu wetten, dass RB in der kommenden Spielzeit zu den Bayern in die Allianz Arena fahren darf und in Franken nur noch dann zum Auswärtssieg vorbeischauen muss, wenn der 1. FC Nürnberg ebenfalls aufsteigt.

Dabei lief auch in dieser Spielzeit nicht alles so glatt wie der Tabellenstand nahelegt. Im Pokal schied man beim Viertligisten Unterhaching aus - mit einem krachenden 0:3. Auch die Heimniederlagen gegen St. Pauli und Kaiserslautern schmerzten. Und bei einigen Spielen - vor allem dem 1:0-Sieg in Karlsruhe - gewann man, obwohl der Gegner besser war.

Doch das sollte die Leipziger Leistung nicht schmälern. Egal, ob man die Arbeitsweise des Konstrukts nun für legitim hält oder den Schwerreichen das Angeln im Aquarium vorwirft - dass die Leipziger einen gepflegten Ball spielen, den man sich mit Genuss anschauen kann, dürften nicht einmal ihre ärgsten Kritiker bestreiten.

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