Athen geht Reparationsfrage wieder an

Forderungen wegen NS-Verbrechen über 269 Milliarden Euro / Linkspartei: Berlin muss sich bewegen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Immer wieder hat die griechische Seite ihre Ansprüche erklärt - immer wieder hat die Bundesregierung die Forderungen nach Reparationen für Besatzung, Ausplünderung und andere Naziverbrechen zurückgewiesen. Nun geht der Streit in eine nächste Runde.

Der LINKE-Politiker Dominic Heilig hat die Bildung eines gemeinsamen Ausschusses des Bundestags und des Athener Parlaments vorgeschlagen, in dem eine Regelung zu den noch offenen Ansprüchen gefunden werden soll. Das »Wegdrücken von berechtigten Forderungen« müsse »endlich ein Ende finden«, sagte der Europaexperte gegenüber »nd«. Hintergrund sind Berichte, laut denen ein Ausschuss des griechischen Parlaments seinen Bericht über die Milliardenforderungen gegenüber Berlin fertiggestellt habe. Das Land fordert rund 269 Milliarden Euro. Berlin hatte diese Forderungen bisher stets zurückgewiesen. Hinzu kommen Reparationsansprüche, die den Ersten Weltkrieg betreffen, sowie Entschädigungsforderungen von Privatpersonen.

Wie der »Spiegel« berichtet, wird die Regierung in Athen in dem 77 Seiten umfassenden Ausschussbericht aufgefordert, den »gerechten Forderungen« nun »dynamisch nachzugehen«. Das kann als Kritik daran verstanden werden, dass die Reparationsfrage zwar oft in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielte, es aber nicht zu wirksamen politischen und juristischen Schritten gekommen ist. Laut der Zeitung »Kathimerini« pocht die SYRIZA-geführte Regierung nun nicht zuletzt vor dem Hintergrund des bevorstehenden Jahrestages der Ratifizierung des Londoner Schuldenabkommens von 1953 auf Entschädigung. Damals war die Bundesrepublik von einem großen Teil seiner Verbindlichkeiten befreit worden, die Regierung sieht das Abkommen als Schlussstrich unter die Reparationsfrage - nicht wenige Experten sehen das anders. Auch der Hamburger Arbeitskreis Distomo, der sich für die Aufarbeitung des SS-Massakers vom 10. Juni 1944 im griechischen Dorf Distomo einsetzt, kritisierte nun erneut gegenüber »nd« die Hinhaltetaktik der Bundesregierung.

Zweifel an der ablehnenden Haltung Berlins hatte auch der Wissenschaftliche Dienstes des Bundestages im Jahr 2013 geäußert. »Wenn die Bundesregierung so tut, als sei über Zwangsanleihen und Reparationszahlungen endgültig entschieden, so ist das zynisch«, so Heilig.

Das Nein der Deutschen wollen die griechischen Parlamentarier nun aufweichen. Sie schlagen unter anderem vor, mit einer diplomatischen Verbalnote die Bundesregierung zum Start von Verhandlungen über Reparationen zu bewegen. Auch ein Schuldentribunal oder der Gang vor den Internationalen Gerichtshof seien möglich. Darüber hinaus könnten griechische Gerichte auch über die Rückzahlung eines vom NS-Regime auferlegten Zwangskredits aus dem Jahr 1942 urteilen, der heute etwa zehn Milliarden Euro Wert sein soll.

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