Ventotene-Treffen vorbei, Südeuropa-Gipfel kommt
Renzi fordert von Merkel Lockerung der Austeritätspolitik / CSU-Politiker gegen »Umverteilungsunion« / Nächster Halt für EU-Debatte ist Athen
Berlin. Angela Merkel, Matteo Renzi und François Hollande haben bei ihrem Mini-Gipfel in Italien keine konkreten Schritte in Richtung einer reformierten Europäischen Union gemacht. Das war auch nicht zu erwarten, das Treffen der Spitzenpolitiker aus Deutschland, Italien und Frankreich auf einem Kriegsschiff vor der Insel Ventotene hat aber die Debattenlage in der EU ein bisschen deutlicher gemacht. Renzi hatte erklärt, Europa müsse Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ergreifen - und dafür Handlungsspielräume beim so genannten Stabilitätspakt gefordert. Diese von Deutschland ausgehende europaweite Schuldenbremse wird von Kritikern als Hebel für Kürzungspolitik und Austeritätskurs in Europa gesehen. Auch andere Staaten hatten immer wieder verlangt, dass eine nur auf Haushaltskonsolidierung ausgerichtete Politik die ökonomische Entwicklung hemmt und zu noch weiteren sozialen Verwerfungen führt.
Doch wenn es nach dem Willen des CSU-Politikers Markus Ferber geht, soll das so bleiben. Er warnte Kanzlerin Angela Merkel vor Zugeständnissen insbesondere an Südeuropa. In der »Welt« sagte der Europaabgeordnete, »Merkel sollte sich für eine Gemeinschaft mit klaren Spielregeln und nicht für ein Wischiwaschi-Europa einsetzen«. Die EU dürfe nicht »zu einer Umverteilungsunion werden, wo Deutschland die Schulden der anderen Mitgliedstaaten am Ende bezahlen muss«, so Ferber.»Mehr Flexibilität für Italien heißt am Ende nur, dass der deutsche Steuerzahler für die überbordenden italienischen Schulden geradestehen muss.« Deswegen dürften weder Italien noch Frankreich weitere Zugeständnisse beim Stabilitätspakt gemacht werden. Italien müsse endlich Reformen angehen, »anstatt sich erneut auf das Strohfeuer von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen zu verlassen«.
Merkel, Renzi und Frankreichs Staatschef François Hollande hatten sich am Montag in Italien getroffen, um über Impulse für eine Erneuerung der EU zu beraten. Merkel sprach dabei vor allem über ihren Wunsch nach einem größeren gemeinsamen Engagement beim Thema Sicherheit. Doch andere Ländern sehen Europa auf einer anderen Baustelle. Die Debatte über die Wirtschaftspolitik, die sozialen Probleme und einen anderen Kurs gegen die Krisensymptome könnte im Herbst neue Nahrung erhalten. So wird die Idee eines Südeuropa-Gipfels Anfang September immer konkreter. Dass ein solches Treffen geplant ist, war bereits vor zwei Wochen aus Regierungskreisen in Athen bekannt geworden - dabei soll über eine Neuorientierung Europas in Sachen Sozialpolitik gesprochen werden. Nun hat Frankreich als erstes Land seine Teilnahme offiziell bestätigt. Präsident Hollande reist zu dem vom griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras organisierten Gipfel. Als Termin war der 9. September im Gespräch, auch Spanien, Portugal, Malta und Zypern sollten eingeladen werden. Agenturen/nd
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