Zurück aus dem Exil

Folge 107 der nd-Serie »Ostkurve«: Der linke Klub Roter Stern Leipzig will auf eine Sportanlage in Connewitz

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 6 Min.

»Am Anfang waren wir schon ein bisschen überrumpelt«, sagt Adam Bednarsky, der Geschäftsführer von Roter Stern Leipzig. Seit seiner Gründung hatte der linke Verein versucht, im ebenso linksalternativen Stadtteil Connewitz einen Sportplatz zu bekommen. Der Großteil der Mitglieder lebt hier, mit lokalen Projekten wie dem Kulturzentrum Conne Island ist man eng verbunden. Verschiedene Versuche scheiterten jedoch, man rechnete mit einer neuen Pachtmöglichkeit erst ab den 2020er Jahren.

Nun bot sich die Möglichkeit jedoch schneller als erwartet. Der Vertrag der Stadt mit dem Sportverein SV Azubi für die Sportanlage Teichstraße wird zum Jahresende aufgelöst. Der Verein warf laut »Leipziger Volkszeitung« den Behörden vor, keine Zuwendungsbescheide für 2016 erhalten zu haben. Die Stadt behauptete wiederum, der SV Azubi habe sich nie mit Förderanträgen um Sanierungsmaßnahmen bemüht. »Das ist eine einmalige Chance«, sagt Bednarsky.

Das großzügige Gelände in der Teichstraße 12 befindet sich zwischen einem Autohaus und der Bundesstraße 2, mitten im Herzen von Connewitz. Mehrere Fußball-, Volleyball- und Handballfelder kämpfen gegen die Witterung, bis zum soziokulturellen Zentrum Werk 2 ist es nicht weit. Die unrenovierte Halle ist ein denkmalgeschützter Altbau mit roten Giebeldächern, Stuck an den Wänden und zwei kleinen Türmen.

Als sich der Verein mit antifaschistischem Anspruch 1999 gründete, waren die wichtigsten Sportflächen der Stadt bereits vergeben - verpachtet kurz nach der Wende auf 30 Jahre. Man behalf sich mit den drei Ausweichplätzen Sportpark Dölitz, der Fläche am Goethesteig und einem Feld auf dem agra-Gelände. All diese Plätze befinden sich rund drei bis vier Kilometer südlich von Connewitz. Die Sportanlage Teichstraße im eigenen Kiez sei immer die »Sehnsuchtsstätte« gewesen, so Bednarsky.

Um dem Wunsch nach seiner Rückkehr aus dem Exil politischen Nachdruck zu verleihen, hatte der Rote Stern im Oktober eine Kampagne gestartet. 280 Gruppen und Organisationen aus 26 Ländern haben laut der Webseite kiezclub.com ihre Unterstützung signalisiert. 2224 Personen unterschrieben innerhalb eines Monats bis Mitte Dezember eine Petition für die Übergabe des Geländes. Fotos von Bannern mit solidarischen Sprüchen kursieren in sozialen Netzwerken, von Hamburg bis Dresden bekennt man Farbe. Der Verein trifft offensichtlich einen Nerv.

Das Leipziger Sportamt zeigt sich davon unbeeindruckt. Bewertungen einzelner Interessenten nehme man aus Fairnessgründen nicht vor, erklärt die Behördenleiterin Kerstin Kirmes im Gespräch mit »nd«. Bisher gebe es sechs Bewerber für die Anlage in der Teichstraße, die meisten seien hauptsächlich im Bereich Fußball aktiv. Bis Ende Februar können gemeinnützige Sportvereine noch ihre Unterlagen einreichen, ab dem 1. April soll das Gelände neu vergeben werden. An die Bewerber stellt die Stadt verschiedene Bedingungen. Zum einen müsse der Verein ein Ausbau- und Nutzungskonzept vorlegen. Mit finanziellen Eigenmitteln soll sich zudem an Renovier- und Umbaumaßnahmen beteiligt werden. Eine breite sportliche Aufstellung sowie eine Verankerung im Schulsport werden erwartet. »Wir brauchen vor allem aber Beständigkeit und ein klares sportinhaltliches Konzept«, sagt Kirmes. Die hohen Anforderungen seien berechtigt: Die Sportanlage soll eine »hohe Förderpriorität« erhalten. Auch die Pacht für das Gelände beträgt lediglich einen Euro pro Jahr.

Roter-Stern-Geschäftsführer Bednarsky fühlt sich den Anforderungen gewachsen. »Wir sind gut aufgestellt und haben bewiesen, dass wir mit unseren Strukturen finanziell und logistisch gut arbeiten können«, erklärt der 36-Jährige, der den Verein als junger Erwachsener mitgegründet hat. Verschiedene Bauprojekte mit einem Gesamtvolumen von 1,4 Millionen Euro habe man bereits erfolgreich umgesetzt. In die Anlage am Goethesteig sei besonders viel Arbeit geflossen. »Mit viel Herzblut und Engagement haben wir die Infrastruktur verbessert«, sagt er. Für die Baumaßnahmen habe man insgesamt 180 000 Euro an Eigenkapital aufgebracht.

An dem Nutzungsplan für die Anlage in der Teichstraße werde noch mit Hochdruck gearbeitet, doch schon jetzt sei klar, dass die Renovierungsmaßnahmen auch dort umfangreich werden, so Bednarsky. »Wir rechnen auf mehrere Jahre gestückelt mit Kosten in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages.«

Auch den sozialen Anforderungen will der Verein, der mittlerweile 15 Sportarten anbietet, gerecht werden. Schulklassen wie auch ehemalige Aktive des SV Azubi sollen eingebunden werden. Das antifaschistische Engagement des Vereins muss Bednarsky nicht extra erwähnen. Nachdem Neonazis und Hooligans Anfang Januar in Connewitz mehrere Geschäfte zerstört hatten, hatte der Rote Stern gemeinsam mit der Amadeu-Antonio-Stiftung zu einer Spendenaktion aufgerufen. Für die betroffenen Ladenbesitzer konnten 40 000 Euro eingesammelt werden.

Ob der Verein die Sportanlage bekommt, entscheidet das Leipziger Sportamt gemeinsam mit dem Sportausschuss der Stadt. In diesem sind elf stimmberechtigte Stadträte sowie drei »sachkundige Bürger« als Berater versammelt. SPD, Grüne und LINKE kommen auf sieben Stimmen, CDU und AfD auf vier. »Die Entscheidung über die Vergabe ist letztlich eine politische«, sagt Bednarsky.

In der Stadtpolitik kann der Verein mit Wohlwollen rechnen. Christopher Zenker, SPD-Fraktionschef und Vorsitzender des Sportausschusses erklärte in der »LVZ« seine Unterstützung für den Verein. Roter Stern-Geschäftsführer Bednarsky ist in einer weiteren Funktion nicht nur LINKEN-Chef von Leipzig, sondern sitzt für die Partei auch im Sportausschuss. Abstimmen dürfe er in diesem Falle aus Befangenheitsgründen aber nicht, versichert er. Auch Michael Schmidt, sportpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Sportausschuss erklärte im Gespräch mit »nd« seine Unterstützung: »Die Vergabe an den Verein Roter Stern Leipzig wäre eine logische und richtige Entscheidung«, sagte der Politiker. Das Projekt habe in der Vergangenheit größere Investitionen mit einem beträchtlichen Eigenanteil geleistet, so dass man »von einem verlässlichen und erfahrenen Verein mit dem Willen zur nachhaltigen Entwicklung der Sportstätte« sprechen könne. Ein jüngst veröffentlichtes Foto von Roter Stern Leipzig zeigt darüber hinaus die Fraktionsvorsitzenden der drei Parteien mit einem Solidaritäts-Banner. Auch wenn es niemand ausspricht - die Chancen sehen für den Verein mit der Mehrheit im Sportausschuss recht gut aus.

Wenn die Übernahme der Sportstätte gelingen sollte, steht der Rote Stern vor erheblichen Herausforderungen. »Die Strukturen, die wir mit 30 Mitgliedern hatten, haben wir nun mit 1000«, sagt Bednarsky. Der Verein ist mit knapp 100 Neumitgliedern jährlich rasant gewachsen, 2016 traten gar 250 neue Sportbegeisterte bei. Die ehrenamtliche Arbeit gerät dabei schnell an ihre Grenzen, das wöchentliche Plenum mit Konsensentscheid auch. Nun müsse man sich logistisch und finanziell neu aufstellen, sagt der Geschäftsführer. Das bedeute weitere hauptamtliche Stellen einführen und eventuell Mitgliedsbeiträge erhöhen. »Das Ziel ist, dass jedes Kind, das bei uns Sport machen will, es auch kann«, sagt Bednarsky. Auf der Mitgliederversammlung Anfang Januar sollen die Pläne diskutiert werden.

Doch was geschieht mit den alten Anlagen, falls es gelingt, die Sportanlage Teichstraße zu erhalten? »Mit Blick auf die Zahlen gehe ich nicht davon aus, dass wir eine Pacht zurückgeben«, sagt der Geschäftsführer. Man wolle aber keinem anderen Verein den Platz wegnehmen. Der Verein weiss, wie es ist: »Jahrelang haben wir in die Röhre geguckt weil wir nicht wussten, wo wir spielen sollen. Auch hier zählt für uns Solidarität.«

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