NGO: Schiff wurde nicht von italienischer Marine »abgefangen«

»Jugend Rettet« weist Berichte zurück: Kontrolle sei »Standardprozedur« für private Retter im Mittelmeer / Parlament in Rom stimmt für Libyen-Einsatz

  • Lesedauer: 4 Min.

Rom. Die deutsche Hilfsorganisation »Jugend Rettet« hat Berichte zurückgewiesen, wonach ihr Schiff im Mittelmeer von den italienischen Behörden »abgefangen« worden sei. Das sei Unsinn, es habe sich um eine Routinekontrolle gehandelt, bei der Papiere und das Schiff »Iuventa« überprüft worden seien, sagte Sprecherin Pauline Schmidt am Mittwoch. Solche Kontrollen kommen bei den Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Menschen im Mittelmeer retten, öfter vor und gehören zum Standard. Auch habe Jugend Rettet keinerlei Kenntnis über etwaige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sie, so Schmidt.

Die Behörden in Süditalien sehen das offenbar anders. Nach Angaben des italienischen Rundfunks verfügte die Staatsanwaltschaft von Trapani in Sizilien die Beschlagnahmung des Schiffes als präventive Maßnahme. Hintergrund sind laufende Ermittlungen über Beziehungen zwischen Hilfsorganisationen und Schleusern. Die Besatzung des Schiffes Iuventa steht demnach im Verdacht der Begünstigung illegaler Einwanderung.

Allerdings betonte der Verantwortliche des Hafenamtes, Paolo Monaco, im Rundfunk, es handle sich um eine Routinekontrolle. Nachdem die »Iuventa« von einem massiven Sicherheitsaufgebot begleitet angelegt hatte, verbrachte Monaco mehrere Stunden an Bord des Schiffs. Falls die Überprüfung der Dokumente ergeben sollte, dass die Besatzung sämtliche Vorgaben erfülle, könne das Schiff wieder auslaufen, betonte er.

Die Hilfsorganisation hatte zunächst Berichte zurückgewiesen, wonach ihr Schiff im Mittelmeer von den italienischen Behörden »abgefangen« worden sei. Das sei Unsinn, es habe sich um eine Routinekontrolle gehandelt, bei der Papiere und das Schiff »Iuventa« überprüft worden seien, sagte Sprecherin Pauline Schmidt am Mittwoch. Solche Kontrollen kommen bei den Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Menschen im Mittelmeer retten, öfter vor und gehören zum Standard. Auch habe Jugend Rettet keinerlei Kenntnis über etwaige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sie, so Schmidt.

»Die ›Iuventa‹ wurde nicht beschlagnahmt. Unsere Crew wurde nicht festgenommen. Es war eine Standardprozedur. Wir warten auf mehr Infos«, schrieb die Organisation auf Twitter. Italienische Medien hatten berichtet, dass die Iuventa vor Lampedusa von der Küstenwache aufgehalten und in den Hafen eskortiert worden sei. Die Zeitung »La Repubblica« zitierte gleichzeitig einen Kommandanten der Küstenwache, der ebenfalls von einer »normalen Kontrolle« sprach. Die Zeitung berichtete auch von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani gegen Jugend Rettet wegen möglicher Kontakte zu Schleppern. »Wir haben keine Informationen über Ermittlungen gegen uns«, twitterte die NGO. Bei der Staatsanwaltschaft war niemand zu erreichen.

Jugend Rettet gehört wie Ärzte ohne Grenzen zu den Organisationen, die den neuen Verhaltenskodex für private Seenotretter diese Woche nicht unterschrieben haben. Die italienische Regierung will mit diesem Kodex die Rettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer besser regeln. Jedoch hatten viele NGOs rechtliche Bedenken und Sorge um ihre Unabhängigkeit, weshalb sie das Dokument nicht unterzeichneten.

Italienisches Parlament stimmt für Militäreinsatz vor Libyen

Unterdessen hat die Mehrheit der italienischen Abgeordneten für einen Militäreinsatz vor der libyschen Küste gestimmt. 328 von 630 Abgeordneten sprachen sich am Mittwoch für die Mission aus, die die Regierung in Rom auf Anfrage der libyschen Regierung von Fajis al-Sarradsch vergangene Woche beschlossen hatte. Italienische Soldaten sollen demnach die Küstenwache des Bürgerkriegslandes auch innerhalb der Hoheitsgewässer technisch und logistisch unterstützen. Nun muss noch der Senat über den Einsatz abstimmen. Italien erhofft sich davon eine Stabilisierung des vom Krieg zerrütteten Landes und den Stopp der Überfahrten von Geflüchteten.

Von Libyen aus wagen die meisten Menschen die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer nach Europa. Die Zahl der Flüchtlinge, die Italien über die zentrale Mittelmeerroute erreichen, ist im Juli allerdings um rund die Hälfte gesunken. Im vergangenen Monat wurden etwa 11.000 Ankömmlinge verzeichnet, wie das Innenministerium am Mittwoch in Rom mitteilte. Im Juli 2016 waren es noch rund 23.500. Seit Jahresbeginn kamen demnach rund 95.000 Menschen in Italien an. Im Vorjahreszeitraum waren es knapp 98.000 gewesen.

Die Zahl der Überfahrten sei vor allem seit dem Treffen zwischen dem italienischen Innenminister Marco Minniti und 13 libyschen Bürgermeistern vor zwei Wochen zurückgegangen. Der libyschen Küstenwache gelinge es inzwischen besser, Boote abzufangen. Die Küstenwache werde inzwischen auch verstärkt mit Booten und Schulungen für die Besatzungen unterstützt. Auf die Wetterbedingungen könne das Absinken der Zahlen nicht zurückgeführt werden. Agenturen/nd

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