Linkspartei will Volkswagen entstaatlichen

Spitzenkandidat fordert, Landesanteile den Beschäftigten zu übertragen, der Ökonom Hickel lobt die Idee

Die FDP will Volkswagen privatisieren, die Linkspartei will den Konzern vergesellschaften - und die Vertreter der Beschäftigen wollen beides nicht. Sie sehen keinen Grund, am VW-Gesetz zu rütteln, das den Einfluss des Landes Niedersachsen auf die Unternehmenspolitik von VW sichert. Niedersachsen hält 20 Prozent der Anteile. Verlagerungen oder Schließungen von Werken können somit nicht gegen die Stimmen der Beschäftigten und des Landes beschlossen werden.

»Es ist gut, wie es ist«, sagte der Wolfsburger IG-Metall-Chef Hartwig Erb dem »nd«. Die Landesanteile seien in der Vergangenheit ordentlich vertreten worden, unabhängig davon, wer in Niedersachsen die Regierungsgeschäfte führte. Vor allem wollten die VW-Arbeiter kein Wahlkampfthema sein. Diese Position teilten die Belegschaften sämtlicher VW-Standorte in Deutschland.

In den vergangenen Tagen hatte es Aufregung gegeben um eine Regierungserklärung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) zum Diesel-Skandal im Oktober 2015, die VW vorab gegenlesen durfte. Die Änderungen waren zwar harmlos, aber seither hat die Kritik an der Verflechtung von Politik und Autokonzern neues Futter. In Teilen von Union und FDP wird seither die alte Forderung erhoben, das Land solle seine Beteiligung an Volkswagen aufgeben. Statt der Politik oder der Belegschaft hätten dann Banken und Investmentgesellschaften das Sagen.

Das ist zwar naturgemäß keine Alternative für die Linkspartei, aber auch sie findet, dass Änderungen am VW-Gesetz diskutiert werden müssen. Spitzenkandidat Dietmar Bartsch schlägt vor, die Landesanteile an die Belegschaft zu übertragen, etwa im Rahmen einer Stiftung. »Das würde dazu führen, dass die, die die Unternehmenssubstanz erarbeiten, ein höheres Mitspracherecht haben«, sagte Bartsch.

Der Chef der Linksfraktion im Bundestag greift damit eine alte Idee auf. Sind Beschäftigte stärker am Unternehmen beteiligt, würde das Investoren ausbremsen, die nur Profit herausziehen wollen. Humane Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung und Arbeitsplatzsicherung würden höher gewichtet. Bartsch sieht das Modell als eine Antwort auf das »Grunddilemma bei VW«, dass die Interessen des Landes und die Interessen des Konzerns nicht identisch seien.

Interessenskonflikte gäbe es allerdings auch, wenn die Belegschaft Anteile an ihrem Unternehmen halten würde. Die Beschäftigten wären dadurch zugleich Kapitaleigentümer, tragen also unternehmerische Risiken mit. Zudem eröffnet die Staatsbeteiligung zumindest potenziell die Möglichkeit, gesellschaftliche Interessen - etwa Umweltziele - in die Unternehmenspolitik einzubringen.

Der Ökonom Rudolf Hickel hält solche Einwände für berechtigt. In der Tat hielten Belegschaften zuweilen »engstirnig« an alten Strukturen fest, schauten kurzfristig nur auf Arbeitsplätze und blockierten so nötige längerfristige Entwicklungen, sagt er gegenüber »nd«. Vom Tisch ist das Belegschaftsmodell für Hickel damit aber nicht. Überregionale Interessen, Nachhaltigkeit oder Umweltschutz, mithin Anliegen, die bislang von der Landesregierung bei VW vertreten werden sollten, könnten in der Stiftungssatzung verankert werden, rät der linke Wirtschaftswissenschaftler. Eine Privatisierung von Volkswagen hält er hingegen für »Quatsch«. Der VW-Skandal habe gerade gezeigt, »dass die Kapitalvertreter bei VW versagt haben«. Die Behauptung, Politik sei schlechter als private Unternehmer, sei falsch.

Diesen Satz unterschreibt in Niedersachsen auch die CDU. CDU-Landesvorsitzender Bernd Althusmann, der Stephan Weil (SPD) als Ministerpräsident ablösen will, bezeichnete die Debatte über die Abschaffung des VW-Gesetzes als »überflüssig«. Die CDU werde es nicht zulassen, dass Arbeitsplätze von VW-Beschäftigten durch Einmischungen von außerhalb der Landespolitik oder weitere Fehlentscheidungen der Konzernspitze gefährdet würden.

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