Viel mehr als das Marx-Relief

Sachsen: Auf dem Gelände der Leipziger Uni finden sich etliche Kunstwerke aus DDR-Zeiten

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom Ende der 1960er Jahre an entstand im Leipziger Stadtzentrum ein moderner Campus für die 1409 gegründete Universität der Stadt, vielfach mit Kunstwerken von Künstlern der DDR versehen. Nach 1990 wurde der Campus in Teilen umgestaltet, doch was ist aus den Kunstwerken geworden? Eine Frage, die sich nicht nur ehemalige Studentinnen und Studenten stellen, sondern auch für Besucher Leipzigs von Interesse ist. Die Mitarbeiter der Kustodie der Universität haben einen guten Überblick, verweisen auf Markantes, legen aber auch Wert auf weniger auffällige Schätze.

»Natürlich fällt den meisten als erstes Werner Tübkes ›Arbeiterklasse und Intelligenz‹ ein«, sagt Cornelia Junge, Sammlungskonservatorin der Kustodie und Kunstsammlungen der Universität Leipzig. »Arbeiterklasse und Intelligenz« ist eines der Hauptwerke der Leipziger Schule. Cornelia Junge plädiert für einen vorurteilsfreien Umgang mit der Kunst, die zu DDR-Zeiten entstand: »Man muss das im geschichtlichen Zusammenhang sehen und darf nicht pauschal alles verurteilen, was damals entstand.« Es gebe »eine Entwicklung von Kunst, zu der die Skulpturen, Reliefs und Bilder aus DDR-Zeiten gehören«. Das immerhin 13 Meter lange Tübke-Gemälde hängt seit dem Jahr 2015 im Hörsaalbau am Augustusplatz in einer Glasvitrine, die es vor Umwelteinflüssen schützt. Es ist Teil der Geschichte der Universität wie viele andere Werke auch.

Wenn es um DDR-Kunst geht, wird auch immer das wuchtige Karl-Marx-Relief »Aufbruch« von 1973 erwähnt, geschaffen von Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe und Rolf Kuhrt. Es hing früher an der Außenfassade des Hauptgebäudes der Universität und strahlte markant auf weiten Platz davor aus. Schon wegen seiner Größe wurde eine Neuinstallation im Bereich des Campus nach dem 2002 begonnenen Umbau nicht vorgesehen, ganz abgesehen von den politischen Diskussionen dazu.

Heute steht sich das Relief auf dem Uni-Gelände an der Jahnallee, dem Traditionsstandort der Sportwissenschaften und heutigen Heimat der Erziehungswissenschaften. Überhaupt befinden sich dort viele Werke aus DDR-Zeiten, auch deshalb, weil es an der 1990 abgewickelten Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) eine große Sammlung »Sport in der Kunst der DDR« gab. Cornelia Junge: »Eine phantastische Sammlung mit etwa 500 Objekten, deren Aufbau Ende der Siebziger Jahre begann.«

Für etliche Plastiken werden derzeit im Zuge der Freiflächenumgestaltung vor dem Bildungswissenschaftlichen Zentrum neue Standorte geschaffen. Die Läufergruppe von Herbert Ihle steht bereits wieder am Vorplatz an der Jahnallee. Auch der mehrfach durch Vandalismus geschädigte Speerwerfer von Rudolf Oelzner wird wieder einen Speer in der Hand halten. Und die Mensa verfügt nach ihrem Umbau immer noch über eine reiche Ausstattung mit qualitativ wertvollen Reliefs und Wandbildern.

Generell sollte zu DDR-Zeiten die künstlerische Ausgestaltung der Universität die Verbindung von Arbeiterklasse und Intelligenz, von Wissenschaft und sozialistischem Staat zeigen. »Es gab einen Fonds für Kunstwerke beim Rat des Bezirkes«, erzählt Junge. Flure, Hörsäle und Zimmer wurden entsprechend ausgestattet. Vieles befindet sich heute in den Sammlungen der Kustodie, musste vor Vandalismus und Klimaschäden geschützt werden.

»Natürlich war die Ausstattung zu DDR-Zeiten stark politisch geprägt«, sagt die Konservatorin. Allerdings sei gerade die sogenannte Leipziger Schule nicht so systemkonform ausgerichtet gewesen wie oft angenommen. Die Kustodie bemüht sich, in Sonderschauen der von ihr betriebenen Galerie im Neuen Augusteum und in der Studiensammlung im Rektoratsgebäude auch Kunst aus DDR-Zeiten zu zeigen. Leider mit weniger Resonanz als erhofft, wie Junge bedauernd berichtet. Die Besucherzahlen könnten höher sein.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es auch in vielen Instituten und im Klinikum der Universität Kunstwerke aus DDR-Zeiten gibt, auch dort haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kustodie ein Auge darauf. So findet sich Kunst sowohl in den Warteräumen des Mutter-Kinder-Zentrums des Trierschen Institutes als auch im Chemischen Institut, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Am Sitz der Uni-Physik in der Linnéstraße blieb das letzte für die damalige Karl-Marx-Universität produzierte Kunstobjekt erhalten: 1989 war das Technikum-Analytikum eröffnet und davor eine Spiral-Installation aus Edelstahl eingeweiht worden. Die Plastik stammt von Wolfram Schneider und nennt sich »Torsion«.

Kunstsammlung der Universität Leipzig im Rektoratsgebäude, Ritterstraße 26, Öffnungszeiten: Montag von 11 bis 15 Uhr; Informationen im Internet unter: www.uni-leipzig.de/kustodie

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