Zwischen Eigensinn und Anpassung

Historiker legen Bericht zur Geschichte der Thüringer Ost-CDU vor / Parteichef Mohring kommt der Termin gelegen

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist wieder einer dieser Tage, an denen Mike Mohring gelöst, ja geradezu mit sich im Reinen wirkt. Wie so oft in der jüngsten Vergangenheit, weil endlich alles nach Plan, nach seinem Plan zu laufen scheint. Denn indem mehrere Historiker am Mittwoch in Erfurt einen Bericht über die Geschichte der Ost-CDU in den drei Bezirken Erfurt, Gera und Suhl vorstellen, löst Mohring nun noch ein Versprechen ein, das er schon Ende 2014 gegeben hat - ausgerechnet auf jenem Parteitag, auf dem er damals zum Vorsitzenden der Thüringer CDU gewählt worden ist; jenem Parteitag, auf dem die Landes-CDU auch damit klarkommen musste, das erste Mal seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr im Freistaat zu regieren. Wobei es für Mohring ziemlich wichtig ist, dass er dieses Versprechen nun einlösen kann.

Warum? Weil am Wochenende ein weiterer CDU-Parteitag stattfinden wird, auf dem der 46-Jährige einen weiteren entscheidenden Schritt auf dem Weg gehen will, von dem er seit Jahren hofft, dass er ihn letztlich in die Thüringer Staatskanzlei führen wird: In Leinefelde-Worbis will sich Mohring zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die Wahlen in Thüringen im Herbst 2019 küren lassen. In wenigen Tagen wird er also auch Rechenschaft darüber ablegen müssen, was er in dieser, sich nun dem Ende zuneigenden Legislaturperiode bisher als Landeschef geleistet hat. Dass er aus seiner Sicht das vor vier Jahren gegebene Aufarbeitungsversprechen mit der Übergabe des Historikerberichts an ihn eingelöst hat, wird er dabei ganz gewiss als Erfolg für sich verbuchen; was er schon andeutet, unmittelbar nachdem er das Papier entgegengenommen hat. Da holt Mohring zum Seitenhieb gegen die Thüringer LINKE aus. Die, sagt Mohring, hätte es auch in der laufenden Legislaturperiode nicht geschafft, ihre Verantwortung innerhalb des SED-Regimes aufzuarbeiten. »Wir haben nicht nur angekündigt, wir haben geliefert.«

Dieser Satz kommt Mohring freilich umso leichter über die Lippen, da der Bericht, den die Historiker vorlegen, so vielschichtig ist, dass man ihm keine Parteilichkeit vorwerfen kann - womit er allerdings auch keine wirklich überraschenden Forschungsergebnisse liefert. Immerhin hat die Geschichtswissenschaft inzwischen in den vergangenen Jahren bereits ausführlich herausgearbeitet, wie vielgestaltig das Leben der Menschen in der DDR zwischen Anpassung und Widerstand war. Dass die DDR viel mehr war als Einheitspartei und Stasi.

Und dazu passt eben, was der Vorsitzende der Kommission, Jörg Ganzenmüller, im Beisein von Mohring erklärt. Die Ost-CDU habe auf dem Gebiet des heutigen Thüringens tatsächlich die klassische Funktion einer Blockpartei eingenommen. Dazu sei sie von den Sowjets und der SED gemacht worden. Diese Rolle habe sie nicht freiwillig eingenommen. Abgeschlossen gewesen sei dieser Transformationsprozess erst mit dem Mauerbau 1961, nicht schon 1952, als der damalige CDU-Landesverband aufgelöst und die Bezirksverbände der Ost-CDU geschaffen wurden.

Viele Parteimitglieder, sagt Ganzenmüller, hätten in dieser Phase die CDU verlassen, weil sie mit der Annäherung der Union an die SED nicht einverstanden gewesen seien. Und es habe auch in der Ost-CDU durchaus Momente dessen gegeben, was Historiker inzwischen gerne mit dem Konzept vom »Eigensinn« beschreiben - Momente also, in denen Menschen durchaus vorhandene, wenn auch kleine Handlungsspielräume nutzen: Zwar hätten vor allem die Führungsspitzen der drei CDU-Bezirksverbände eng mit der SED kooperiert, sagt Ganzenmüller. An der Parteibasis dagegen habe es aber durchaus Versuche gegeben, sich etwa für die Christen in der DDR zu engagieren. »Wenn einzelne Mitglieder in Konflikt mit der Staatsmacht gekommen sind, wurden sie von der Parteiführung auch nicht unterstützt.«

Mohring blickt derweil schon aufs Wochenende. Für ihn geht es inzwischen nicht mehr darum, ob er dann zum CDU-Spitzenkandidaten für die Thüringer Landtagswahl gewählt wird. Sondern nur darum, wie groß die Zustimmung sein wird. Nachdem allerdings zuletzt auch die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung mit einer Einstellungsverfügung erster Klasse zu Ende gegangen sind und sich sein profiliertester innerparteilicher Konkurrent - Thüringens Landtagspräsident Christian Carius - überraschend aus der Landespolitik verabschiedet hat, wäre es ein kleines Wunder, wenn dieser Parteitag keine Mohring-Festspiele werden sollten; obwohl auch Kanzlerin Angela Merkel erwartet wird. Dann wird er wieder ganz gelöst wirken.

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