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Nicht nur die »Rache der Dörfer«

Forscher untersuchen Rechtspopulismus in den Großstädten - und was dagegen hilft

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Einfallstor für Rechtspopulismus kann auch ein Garagenhof sein. Ein solches Areal sollte in Leipzig einer Schule weichen, was die Stadt den Pächtern mitteilte. Die erhielten daraufhin Unterstützung von der AfD, die »echte« Bürgerbeteiligung forderte und Unmut gegen Politik und Verwaltung schürte.

Rechtspopulismus gilt weithin als ländliches Phänomen. In der Tat liegen Bastionen von Donald Trump wie der AfD außerhalb der Städte: in Regionen, die wirtschaftlich abgehängt sind, wo Infrastruktur abgebaut wird und Junge sowie Frauen abwandern. Viele verbliebene Bewohner wählen rechts; von der »Rache der Dörfer« spricht Wolfgang Kaschuba, Kulturwissenschaftler aus Berlin. Städte gelten derweil als Orte von Heterogenität, Anonymität und Toleranz.

Doch die simple Stadt-Land-Unterscheidung sei »überholt«, sagt der Jenaer Soziologe Peter Bescherer. Er arbeitet im Forschungsprojekt »Populismus, Demokratie, Stadt« (Podesta), das an diesem Freitag und Samstag in Leipzig eine Tagung mit dem Titel »Von der Großstadtfeindschaft zum Nazikiez« ausrichtet. Dabei soll erörtert werden, mit welchen Strategien, Themen und Aktionsformen rechte Populisten auch in Städten aktiv werden - und wie dem womöglich begegnet werden kann.

Die Rechte in Deutschland sei traditionell »großstadtfeindlich« gewesen, sagt Bescherer. Das aber ändert sich gerade. Gruppen wie die »Identitären« propagieren einen urbanen Lebensstil und adaptieren Mittel der Stadtguerilla; in Halle haben sie ein Wohnprojekt direkt neben der Universität begründet. Leipzig ist derweil ein Beispiel für AfD-Erfolge auch in der Stadt: An deren Peripherie kam sie bei der Bundestagswahl 2017 verbreitet auf mehr als 25 Prozent der Wählerstimmen. In Leipzig sowie in Stuttgart wollen die »Podesta«-Forscher, die an den Universitäten Jena und Tübingen arbeiten, Bedingungen für solche Erfolge untersuchen.

Ein mögliches Thema ist die Wohnungspolitik: Prozesse von Verdrängung, Aufwertung und steigenden Mieten. Derlei Prozesse seien »schwer durchschaubar, so dass sich Umdeutungen aufdrängen, die eine unzumutbare und schwierig zu bekämpfende Situation handhabbarer machen könnten«, heißt es in einem im August erschienenen Arbeitspapier der Forscher mit dem Titel »Urbaner Populismus?«. Eine denkbare Umdeutung ist, die Schuld für explodierende Mieten und Wohnungsknappheit bei Migranten zu suchen - und entsprechende Antworten zu propagieren: Auch im sozialen Wohnungsbau dürften nur noch »deutsche Bedürftige« zum Zuge kommen, forderte gerade die NPD in Dresden. Auf ähnliche Rezepte einer »Sozialpolitik von Rechts« setzt auch die AfD.

Die Forscher suchen nach solchen Beispielen - in »kleinräumigen Untersuchungen«, für die in Leipzig Experten aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft, aber auch Stadträte der AfD interviewt wurden. Das Arbeitspapier nennt weitere Themenfelder, auf denen Rechtspopulisten aktiv werden: Fragen der Sicherheit, des Umgangs mit Zuwanderung oder von Bürgerbeteiligung. Bescherer verweist auf das Beispiel »Stuttgart 21«. Der Streit um den Bahnhofsumbau habe »viel Frust« und Entfremdung von der Politik bewirkt, der »auch leicht nach rechts gewendet« werden könne. Auch in Stuttgart gibt es AfD-Hochburgen, so in Zuffenhausen (13,4 Prozent) und einigen Nachbarvierteln am nördlichen Stadtrand.

Daneben geht es den Forschern aber auch um Gegenstrategien. Leipzig, sagt Bescherer, gilt als Stadt mit sehr lebendiger Zivilgesellschaft. Das trifft für das Engagement gegen Nazis zu, aber auch auf Themen wie Stadtentwicklung und Wohnen, wo das Netzwerk »Leipzig - Stadt für alle« seit Jahren aktiv ist. Es ist ein »Praxispartner« des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten und bis 2020 laufenden »Podesta«-Forschungsprojektes. In Stuttgart arbeitet dieses mit der Initiative »Die AnStifter« zusammen.

Bisher freilich sei das Thema Wohnen und Stadtentwicklung nicht vordergründig mit Engagement gegen Rechtspopulismus in Verbindung gebracht worden. Die Konferenz könne helfen, »beides zu verknüpfen«, sagt Bescherer. Anne Kämmerer von der gegen Rechts aktiven Initiative »Leipzig nimmt Platz« erklärt, man hoffe auf »neue Erkenntnisse darüber, wie wirksame Strategien der Zivilgesellschaft und staatlicher Institutionen gegen eine zunehmend heterogen auftretende Rechte entwickelt und umgesetzt werden können«. In Stuttgart planen die Forscher eine Konferenz im kommenden Jahr.

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