Sparsam und gerecht

Die Grünen wollen in Bildung investieren und Reichtum fair verteilen - und legen sich dabei selbst Fesseln an

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 3 Min.

In Sachen Verteilung und soziale Gerechtigkeit haben die Grünen zwei Gesichter. Einerseits fordern sie in ihren Wahlprogrammen einen höheren Spitzensteuersatz und auch eine Vermögenssteuer, obwohl es unter ihren Anhängern relativ viele Besserverdienende gibt. In der EU will die Partei »beherzt« gegen Steuerdumping vorgehen und die US-Internetkonzerne besteuern: »Wir wollen, dass große Unternehmen genauso wie kleine Handwerksbetriebe ihre Steuern dort zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften«, heißt es in dem Programmentwurf des Parteivorstands zur Europawahl. Denn das europäische Sozialmodell brauche eine ausreichende Finanzierung. In Deutschland sollen die Hartz-IV-Sätze angehoben und in Bildung soll investiert werden. »Wir wollen, dass Reichtum gerecht geteilt wird«, resümiert die Partei.

Andererseits lassen sich die Grünen in der Finanzpolitik auf einen restriktiven Kurs ein. In Hessen vereinbarte die schwarz-grüne Koalition Einsparungen durch Stellenstreichungen und eine Begrenzung der Gehälter im öffentlichen Dienst, um die Schuldenbremse einzuhalten. In den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene akzeptieren die Grünen sogar die schwarze Null: »Die Gesprächspartner wollen einen ausgeglichenen Haushalt«, heißt es in einem Sondierungsstand, der im Oktober 2017 veröffentlicht wurde, bevor die FDP die Gespräche beendete.

»Mit der schwarzen Null blockieren sich die Grünen selbst«, urteilt der Sozialforscher Gerhard Bosch von der Uni Duisburg-Essen. Ehrgeizige soziale und ökologische Vorhaben der Partei seien so nicht umsetzbar. Denn wer eine Neuverschuldung ausschließe, begrenze ohne Not die öffentlichen Mittel, die in Soziales, Wohnungsbau oder Infrastruktur gesteckt werden können. Dabei könnte sich der Staat gerade jetzt nahezu zinslos Geld leihen und beispielsweise in Bahn und Bildung investieren, so Bosch. Dies mit Krediten zu finanzieren, sei angemessen, weil von intakten Schulen und intakter Umwelt auch unsere Kinder profitierten.

Volkswirte weisen auf ein weiteres Problem der schwarzen Null hin: In Deutschland sparen mittlerweile unterm Strich alle drei Sektoren der Volkswirtschaft: private Haushalte, Unternehmen und der Staat. Dies ist nur möglich, weil den deutschen Sparern - oder Gläubigern - Schuldner im Ausland gegenüberstehen. Von den verschuldeten Staaten wird dann Sparsamkeit verlangt, etwa in Form von Sozialkürzungen.

Einerseits bemängeln die Grünen die Sparpolitik während der Eurokrise. In ihrem europapolitischen Entwurf wagen sie es auch, ein kritisches Wort über die schwarze Null zu verlieren: »Ein Exportland wie Deutschland hat nichts gewonnen, wenn wir einen Haushalt mit schwarzer Null vorlegen, Europa aber vor die Hunde geht, weil die Jugendarbeitslosigkeit antieuropäische Parteien stark macht.« Andererseits stellen die Grünen in ihrem Programmentwurf die europäischen Defizitkriterien nicht infrage.

In der Europa-Debatte kritisieren sie die schwarze Null, bilanziert Bosch, auf nationaler Ebene zeigen sie sich hingegen als »brave Sparbuben«. Denn in Deutschland sei tief im Bewusstsein verankert, dass jede Form von Schulden schlecht sei. Dass die Partei ihre Steuererhöhungspläne in Deutschland umsetzen kann, ist derzeit unwahrscheinlich. Mit der Union, die die Grünen inzwischen als Partner bevorzugen, ist das nicht zu machen. In dem Jamaika-Sondierungspapier waren im Gegenteil Steuerentlastungen vorgesehen.

Nachfragen zu ihren finanzpolitischen Positionen beantworteten die Grünen bis Redaktionsschluss nicht.

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