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Ein Liebesbrief und die Folgen

»Der Blumensammler« - David Whitehouse erzählt seine Geschichte

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 4 Min.

Blumen sind Liebesboten. Wenn der junge englische Schriftsteller David Whitehouse in seinem zweiten Roman eine Reise in die fantastische Welt der Blumen unternimmt, erzählt er natürlich eine Liebesgeschichte, eine zarte, eine traurige, eine herzzerreißende, übrigens nicht nur die zwischen zwei »Blumenkindern«, sondern auch die zwischen einem Vater und einem Sohn. Das begreifen wir aber erst am Ende. Da hat schon der im Roman allgegenwärtige Tod seine Opfer gefordert. Blumen gehören ja nicht nur zur Liebe, sondern auch zum Tod, und alles ist eng miteinander verschlungen.

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David Whitehouse: Der Blumensammler. Roman.
A. d. Engl. v. Dorothee Merkel. Tropen Verlag, 350 S., geb., 20 €.

Wer weiß schon, dass die Pflanze mit der größten Blüte der Welt - die Rafflesia arnoldii, in den Regenwäldern von Borneo und Sumatra zu Hause - Todesblume oder Leichenblume genannt wird, dass sie infernalisch stinkt, aber »fast menschlich« anmutet: »wunderschön, seltsam und von kurzer Dauer«.

Der englische Buchtitel lautet »The Long Forgotten«, und das Vergessen, noch mehr dessen Zwilling, das Erinnern, spielen im Roman ebenfalls eine große Rolle. Der Autor hat zwei Zeitebenen und Generationen so verschränkt, dass es des Erinnerns bedarf, um frühere Ereignisse dem (langen) Vergessen zu entreißen. Der Leser muss sich in den Sprüngen zwischen der Gegenwart und der Zeit drei Jahrzehnte zuvor erst einmal zurechtfinden. Was der Spannung wegen beabsichtigt ist und zugleich deutlich macht, dass Erinnerung auch eine große Betrügerin sein kann.

Kommen wir zu unserem Blumensammler namens Peter Manyweathers. Der läuft natürlich nicht mehr mit der Botanisiertrommel wie einst Alexander von Humboldt oder Sibylla Merian in den Wäldern herum, sondern er schaut ins Internet und findet da eine Liste von sechs fantastischen, einzigartigen Blumen, die irgendwo rund um den Erdball blühen … Verzeihung, jetzt habe ich einen Fehler gemacht! Wir sind ja noch in den Achtzigern. Natürlich ist es der Autor selbst, der die seltenen Blumen im Netz gefunden und die Idee gehabt hat, daraus einen Roman zu machen. Sein Peter Manyweathers lebt also in den achtziger Jahren in Brooklyn, ist ein schlichter Putzmann (Reinigungskraft) und liebt Blumen. Eines Tages findet er in einer Bibliothek in einer staubigen Enzyklopädie über Blumen einen handgeschriebenen Liebesbrief mit einer Liste der sechs seltensten Blumen der Welt. Wer mag den geschrieben und dann im Buch liegen lassen haben?

Die Blumenliste lässt Peter keine Ruhe. Er tritt in einen Club für Freunde des botanischen Zeichnens ein und lernt dort den dänischen Psychologen Hens Berg kennen. Der ist auch so ein Blumenfreak. Als die Nachricht um die Welt geht, in China blühe unter einer Waschmaschine eine Udumbara, eine Götterblume, die nur einmal aller dreitausend Jahre blüht, sind die beiden nicht mehr zu halten. Zusammen reisen sie nach China und finden in der Provinz Jiangxi im Haus der armen Frau Lu Shan diese Blume, eine Reinkarnation Buddhas. Ihre Blüte gleicht einer »filigranen, vollkommen irrealen Wolke«.

Aber das ist nur der Anfang weiterer Unternehmungen. Die Suche wird zur Obsession. Es folgen Exkursionen nach Gibraltar, nach Chile, nach Mexiko, nach Namibia, nach Sumatra. In Chile entgeht Peter nur knapp dem Tod durch »die schafsfressende Pflanze«. Über die Liebe zu der wunderschönen Blumensammlerin Harun werden Peter und Hens zu erbitterten Feinden, und das Ganze eskaliert nicht zufällig in Sumatra, wo die Todesblume wächst. Die Blumen sind Metaphern für Glück und Unglück.

David Whitehouse hat den Roman mit spannenden literarischen Versatzstücken versehen, einem Flugzeugabsturz, dem Tod eines Wales, der Bi- bliothek, dem geheimnisvollen Brief. Am schönsten sind die (realen oder virtuellen) Reisen in die letzten geheimnisvollen und doch schon bedrohten Winkel der Welt, wo die Palmöl-Plantagen die Blumen, die Götter und die Wunder vertreiben.

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