Zwischen Frust und Utopien

Nach vier Monaten »Fridays for Future« wächst die Ungeduld.

  • Hannah Eberle
  • Lesedauer: 3 Min.

Fridays for Future hat erreicht, dass in unzähligen Haushalten, an Arbeitsplätzen und bei Kulturveranstaltungen das Klima Thema ist. Es wird darüber gesprochen, dass ein Kohleausstieg 2038 zu spät ist und Deutschland noch immer fossilen Brennstoff subventioniert. Unterstützung erhalten die Streikenden von 14.000 Wissenschaftler*innen (Scienctists for Future) und von zahlreichen Lehrer*innen (Teachers for Future). Geplant ist auch schon der nächste Protesthöhepunkt. Am Freitag, den 24. Mai, wollen die Schüler*innen verstärkt Studierende und Lohnabhängige einbeziehen, »damit die Europawahlen zu Klimawahlen werden«. Der 20-jährige Tom Patzelt ist seit Januar jeden Freitag auf der Straße. Seine Vision: »Es muss ein gesellschaftlicher Protest werden.«

Nach vier Monaten zeigen die Schüler*innen freitags hin und wieder Ermüdungserscheinungen, aber aufgeben werden sie nicht. Eher steigt ihr Frust, dass die Politik außer Einladungen in die Abgeordnetenbüros nichts anbietet. Sie fordern, dass die Politik über Inhalte diskutiert und nicht über die Legitimität der Streiks.

Noch immer organisieren die Schüler*innen jeden Freitag Streiks, unter anderem in Leipzig und Berlin, aber auch in Bad Hersfeld, Anklam oder Eberswalde. Derzeit grübeln sie parallel dazu über Arbeits- und Absprachestrukturen, neben der Vernetzung in lokalen Gruppen und der Kommunikation via WhatsApp. Wenn etwa, wie in München, Bußgelder angeordnet oder wenn einzelne Schüler*innen zur Schulleitung zitiert werden, wollen sie diese Fälle sammeln. »Auf diese Weise bleibt niemand allein«, so Patzelt.

Sie wollen aber auch inhaltlich weiterkommen. Wenn in den Schulen der Klimawandel nicht auf dem Stundenplan steht, wie es die Teachers for Future gern hätten, und an den Universitäten Nachhaltigkeit nur als Zusatzthema im Wirtschaftsstudium verhandelt wird, dann organisieren die Jugendlichen selbst Bildung und Kritik. In Leipzig veranstaltet die Bewegung ein Klimacamp in den Ferien, in Berlin und anderen Städten finden jeden Freitag nach den Demonstrationen und Kundgebungen »Teach-ins« statt. Wissenschaftler*innen oder Schüler*innen, die schon mehr im Thema sind, geben dort ihr Wissen weiter. An der Technischen Universität Berlin hat Tom Patzelt mit Kommiliton*innen einen Fridays-for-Future-Arbeitskreis gegründet.

Fridays for Future politisiert die jungen Menschen. In den Arbeitskreisen und Ortsgruppen geht es immer häufiger auch um den Zusammenhang von Kapitalismus und Klimaveränderung - spätestens seit Greta Thunberg im Dezember sagte, wenn innerhalb des Systems so schwer Lösungen zu finden seien, sollte vielleicht das System selbst geändert werden. »Dass kleine Veränderungen nicht ausreichend sind, ist vielen klar. Grenzenloses Wachstum auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen ist nicht möglich, und es braucht ein Umdenken«, sagt Patzelt. Für die jungen Aktivist*innen ist wichtig, diesen Lernprozess selbst zu gestalten. Sie wollen nicht beeinflusst werden von linken Gruppen, Parteijugendverbänden oder Erwachsenen. Vielerorts bestehen zwar Verbindungen zu den Basisgruppen von »Ende Gelände«, der Naturfreundejugend, der Grünen Jugend oder der Linksjugend Solid. Doch auch künftig sollen keine Fahnen von Parteien oder Organisationen die Bilder ihres Protestes bestimmen. Patzelt: »Ich habe keine Ahnung, wie ein System aussehen kann, das respektvoll mit Mensch und Umwelt umgeht. Aber ich finde es wichtig, dass wir als Jugendliche selbst darüber nachdenken und Utopien entwickeln.«

Zwar erhalten die Schüler*innen finanzielle oder räumliche Unterstützung von autonomen Jugendzentren, Politiker*innen oder NGOs. Aber in erster Linie wollen die Jugendlichen Veränderungen sehen. Für sie alle ist wie für die Schülerin Svenja Kannt klar: »Klima ist kein Kompromiss.«

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