»Berliner Zeitung« soll sich mehr um Berlin kümmern

Der Berliner Verlag wechselt die Besitzer: Das Ehepaar Friedrich verspricht mehr Digitalisierung

Die »Berliner Zeitung« wird wieder einmal verkauft. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Die Zeitung wurde schon öfter verkauft: von der PDS, von Gruner und Jahr, von Holtzbrinck, vom britischen Medieninvestor David Montgomery - Sie erinnern sich?

Insbesondere der letztere Besitzer gilt als traumatisch, als ein Musterbeispiel neoliberaler An- und Verkaufspolitik, der die Redaktion fertig machte und minimierte - um die Rendite zu steigern. Er hatte da traumhafte Vorstellungen und setzte sie geradezu egozentrisch um.

Als er die Zeitung schließlich 2009 an DuMont verkaufte, wurde aufgeatmet, erwartete man sich doch von einem der ältesten deutschen Medienunternehmen eine gewisse Seriosität, die Garantie von Arbeitsplätzen und damit auch von journalistischer Sorgfalt und Qualität. Doch die Schrumpfung von Verlag und Redaktion ging weiter. Und der Rückgang der Auflage ebenso: Die »Berliner Zeitung« verkaufte im zweiten Quartal dieses Jahres rund 84 000 Exemplare täglich, knapp zehn Prozent weniger als im Vorjahresquartal. Der »Tagesspiegel«, der Hauptkonkurrent auf dem Berliner Zeitungsmarkt, verkauft 112 000 Exemplare.

Am Dienstag wurde bekannt, dass die DuMont-Mediengruppe den Berliner Verlag verkauft. Neue Eigentümer sind die Berliner Unternehmer Silke und Holger Friedrich. Das Bundeskartellamt muss dem Verkauf noch zustimmen. Über die Summe wurde Stillschweigen vereinbart, ganz wie im Profisport - einer Branche, die im Gegensatz zum Printjournalismus exorbitante Wachstumszahlen aufweist.

Der Verkauf des Berliner Verlags, zu dem auch der »Berliner Kurier«, das »Berliner Abendblatt« sowie BerlinOnline, der Corporate Publisher MDSCreative und die Berliner Zeitungsdruckerei gehören, kam nicht überraschend. Schon im Februar war bekannt geworden, dass DuMont den Verkauf seiner kompletten Zeitungssparte plane, da diese fortwährend Verluste einfahre.

Schuld daran hat irgendwie das Internet, Printmedien gelten als Angelegenheit von vorgestern, gemacht für ältere Menschen - ab 35 Jahre aufwärts. Mit der sinkenden Auflage kippt auch das Anzeigengeschäft. Seine neuen Besitzer, das Ehepaar Friedrich, wollen den Berliner Verlag in die Holding ihrer Familie überführen, teilt DuMont mit. Geplant sei nicht nur die digitale Weiterentwicklung seiner Titel, sondern auch die Stärkung des Unternehmensprofils - das hört sich nicht gerade nach all zu großer Hoffnung für das Printprodukt an.

Dafür ist viel von »Berlin« die Rede, die Hauptstadt wird einmal mehr als alte Schatzstadt bejubelt, auch wenn sie längst zur Marke der beschleunigten Gentrifizierung geworden ist. »Wir möchten (…) mit einer versachlichten, faktenbasierten Berichterstattung den politischen und gesellschaftlichen Diskurs für Berlin und aus Berlin heraus bereichern«, wird Holger Friedrich in einer Mitteilung von DuMont zitiert. Und zwar »mit konsequent digital ausgerichteten Angeboten und einer tiefgehenden Aufarbeitung gesellschaftlich relevanter Themen«. Man möchte »ein breiteres Publikum ansprechen und mit den Lesern stärker in Kontakt treten, als dies bisher der Fall ist«, sagte Friedrich.

Vertreter von Gewerkschaften begrüßten den Verkauf an die Fried᠆richs. »Es ist gut, dass es für die Belegschaft endlich eine Perspektive gibt«, teilte Verdi-Vize Frank Werneke mit. Fast wortgleich äußerte sich der Journalistenverband Berlin-Brandenburg: »Nach einer langen Hängepartie und massiven Personalkürzungen unter der Ägide der Verlagsgruppe DuMont gibt es für Belegschaft und Leserschaft endlich eine neue Perspektive«. Gleichzeitig erwarte man, »dass die neuen Eigentümer verantwortungsvoll den Traditionstitel durch den Medienwandel führen«. In der Redaktion der »Berliner Zeitung«, die seit 2017 mit verkleinerter Belegschaft in kleineren Räumen an der Alten Jakobstraße sitzen muss, seien die neuen Eigentümer bei einem Besuch am Dienstag durchaus freundlich aufgenommen worden, berichtet der »Tagesspiegel«. Auch aus dem Grund, weil sich die Friedrichs als »Berliner« vorgestellt hätten, »im Outfit, im Habitus, in der Ansprache«.

Und tatsächlich, auf dem Foto, auf dem man in der Online-Ausgabe des »Tagesspiegel« die Friedrichs betrachten kann, sehen sie aus wie zwei frisch gewaschene Senior-Hipster aus Berlin-Mitte. Das sei immer noch besser als ein »Käufer, der gleich fünf Manager im Schlepptau hat«, zitiert das Blatt jemanden aus der Redaktion der »Berliner Zeitung«.

In der Tat hat Silke Friedrich in Berlin 2004 zusammen mit dem Love-Parade-Gründer Ralf Regitz das E-Werk, einen legendären Ort der Techno-Bewegung, neu belebt. Heute leitet sie die Berlin Metropolitan School, eine Privatschule mit 1000 Schüler*innen. Ihr Mann Holger betrieb ein Software-Unternehmen, das von SAP gekauft wurde, wechselte erst zu McKinsey und wurde dann Vorstand der Software-AG und gründete einen »Technology Think Tank« namens »CORE«. Kämpfer gegen die Neoliberalisierung in Gesellschaft, Wirtschaft und Berliner Verlag stellt man sich etwas anders vor. Mit Agenturen

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