Vorsicht, deine Jeans ist gefährlich

Monster, Punks und neue Technik: Morgen beginnt das 34. Fantasy Filmfest in Berlin und Frankfurt am Main

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Gegensatz zu anderen Filmfesten, die wegen Corona ausfielen, wie in Cannes, Tribeca oder München, findet dieses Jahr das Fantasy Filmfestival statt, zum 34. Mal mittlerweile. Auch wenn der Kulturbereich insgesamt von einem regulären Betrieb noch weit entfernt ist, dürfte sich das für viele schon einmal ein wenig nach dem lange herbeigesehnten kulturellen Alltag anfühlen. Wenngleich das Festival, das durch mehrere Städte tourt, von 11 auf 5 Tage verkürzt wurde und statt etwa 50 Filmen wie in anderen Jahren nur 21 zu sehen sein werden: Genre-Filme aus den Bereichen Phantastik, Horror, Science-Fiction und Schwarze Komödie.

Das Festival beginnt am Mittwoch in zwei Städten: in Berlin (wo es in der Kulturbrauerei läuft) und in Frankfurt am Main (in der Harmonie). Eröffnet wird mit der Komödie »Palm Springs«, die motivisch an den Blockbuster »Und täglich grüßt das Murmeltier« erinnert. Wobei in dieser aberwitzigen Geschichte zwei Menschen gemeinsam in einer Zeitschleife festhängen, und zwar auf einer alle Facetten des Fremdschämens garantierenden Hochzeitsfeier in Palm Springs. Das ist ebenso massenpublikumstauglich wie der Film »The Personal History of David Copperfield«, einer starbesetzten britischen Adaption des Charles-Dickens-Klassikers oder »Inheritance«, einem düsteren Drama um ein schreckliches Erbe in der amerikanischen Upper Class.

Wer es gruseliger mag, wird Gefallen an dem in Großbritannien und den Arabischen Emiraten koproduzierten Horrorfilm »Amulet« finden, in dem es um einen Ex-Soldaten geht, der als Untermieter in einem alten Haus mit dem Grauen konfrontiert wird, das auf dem Dachboden derb in Szene gesetzt wird. Auch »Daniel isn’t real« hat hohen Gruselfaktor: Ein erfundener Freund aus der Kindheit sucht plötzlich einen jungen Mann heim, ziemlich fies und überzeugend dargestellt von Arnold Schwarzeneggers Sohn Patrick.

Für Science-Fiction-Fans ist das Angebot überschaubar. »Archive«, eine britisch-ungarische Produktion, setzt optisch anspruchsvolle Science-Fiction in Szene und erzählt von einem Labor in naher Zukunft, in dem »Divergent«-Star Theo James zu Künstlicher Intelligenz forscht und sich außerdem bemüht, seine tote Frau zum Leben zu erwecken. Ziemlich splattermäßig geht es dagegen in dem südafrikanischen Trash-Streifen »Fried Barry« zu, in dem finstere Aliens den Körper eines Junkies nutzen, um durch Kapstadt zu laufen und die Menschheit zu erforschen.

Natürlich bietet das Filmfest aber auch Komödien und witzige Zugänge zu so viel Splatter, Monstern, Blut und futuristischer Technologie. In dem kanadischen Film »Slaxx« wird eine Jeans erfunden, die sich von selbst an den Körper anpasst, regelrecht anschmiegt - bis sie dann schließlich zum Leben erwacht und ein Fashion-Victim nach dem anderen erlegt. Im Stil einer Komödie kommt auch die kanadische Produktion »PG: Psycho Goreman« daher, in der zwei Jugendliche auf ein Alien-Monster treffen, das wie aus einem billigen 50er-Jahre-Film aussieht. Sie freunden sich mit ihm an und versuchen mit seiner Hilfe, die Probleme ihres Alltags zu lösen. Das sogenannte »Centerpiece« (am Samstag in Berlin zu sehen) ist in diesem Jahr »Dinner in America«, der wie viele andere Filme auch bereits auf dem Sundance-Film-Festival lief. »Dinner in America« ist eine wirkliche Independent-Perle, die ein wenig an frühe Todd Solondz-Filme erinnert, aber um einen Punk-Faktor im Stil von Henry Rollins erweitert. In der stimmungsvollen Produktion voll großartiger Musik, die in den 1980er Jahren angesiedelt ist, in den USA schon eine eigene Fangemeinde besitzt und von zahlreichen US-Feuilletons über den Klee gelobt wurde, geht es um einen Punkmusiker, der mit einem seiner weiblichen Fans in den sozialen und kulturellen Untiefen der Suburbs in Michigan unterwegs ist. Es geht um Drogen, Poesie, Sex und den Kampf gegen den Wahnsinn des kleinbürgerlichen Alltags. »Dinner in America« ist subkulturelles Empowerment vom Feinsten. Diesen Film sollte man sich wirklich merken.

Desweiteren dürfte für viele auch noch Kevin James sehenswert sein, als ein aus dem Knast ausgebrochener Neonazi in »Becky«. Der beleibte US-Star, bekannt aus »Hitch - Der Date Doktor« oder aus der niveaulosen Filmreihe »Der Kaufhaus Cop«, überfällt mit seinen Nazifreunden eine Familie im Urlaubsdomizil, deren 13-jährige Tochter Becky dann einen Nazi nach dem anderen äußerst blutig und ganz ohne Gnade zur Strecke bringt, was ein wenig wie »Kevin, allein zu Haus« in einer antifaschistischen Version wirkt. Wie immer gibt es zu einigen Filmen auch Einführungen, wobei in diesem Jahr Corona-bedingt leider nicht so viele Filmemacher anwesend sein werden wie sonst.

9.-13.9. Berlin, Kino in der Kulturbrauerei; Frankfurt am Main, Harmonie; 16.9.-20.9. Hamburg, Savoy Filmtheater; München, Cinema; Nürnberg, Cinecitta; 23.9.- 27.9. Köln, Residenz Astor-Film Lounge; Stuttgart, Metropol

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