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Linke plant Parteitag neuen Typus

Wahl der Parteiführung im Februar findet wegen Corona komplett digital statt

Die Linkspartei wird ihren Parteitag Ende Februar komplett digital durchführen. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Parteivorstand am Sonnabend ohne Gegenstimmen und bei einigen Enthatungen. Damit sind die bisherigen Planungen hinfällig, denen zufolge der Bundesparteitag dezentral stattfinden sollte – an 16 Orten in den Bundesländern sollten sich jeweils zwischen 50 und 100 Delegierte sowie Teilnehmer mit beratender Stimme zusammenfinden; die einzelnen Tagungsorte sollten für Debatten und Abstimmungen digital vernetzt sein.

Nun haben die anhaltend kritische Infektionslage und die jüngsten Lockdown-Maßnahmen ein erneutes Umdenken nötig gemacht. Es ist der wahrscheinliche Schlusspunkt einer beinahe unendlich anmutenden Geschichte. Ursprünglich war der Parteitag, auf dem die gesamte Parteispitze neu gewählt werden soll und auf dem nach acht Jahren die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger aus dem Amt scheiden sollen, im Sommer 2020 stattfinden. Dieser Termin war wegen der Coronalage ebenso wenig zu halten wie der Ersatztermin im Herbst. Schließlich einigte man sich auf das letzte Februar-Wochenende 2021.

Einfluss auf den nun komplett digitalen Verlauf des Parteitags hatte auch eine Behördenentscheidung in Sachsen-Anhalt. Dem dortigen Linke-Landesverband wurden mit Hinweis auf die Pandemie der Landesparteitag und die Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl Ende Januar als Präsenzveranstaltung untersagt, wie »nd« von Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler erfuhr. Diese Veranstaltungen seien in etwa der Größenordnung geplant wie die ursprünglich gedachten dezentralen Teile des Bundesparteitags. Ähnliche Signale, so Schindler, habe es auch aus anderen Landesverbänden gegeben. Hinzu komme, dass niemand den Endruck erwecken wolle, die Parteien genehmigten sich Sonderrechte, während die Bevölkerung sich an rigide Einschränkungen halten muss.

Damit haben sich Befürchtungen bewahrheitet, die Skeptiker schon zuvor geäußert hatten: Wenn auch nur eine der 16 dezentralen Versammlungen nicht genehmigt werde, stehe das gesamte Konzept in Frage. Nun werden die rund 600 Delegierten den Parteitag vom heimischen PC verfolgen und auch online diskutieren und abstimmen. Schon am Donnerstag hatte es dazu eine Beratung mit den Landesvorsitzenden gegeben. Eine große Mehrheit, so Schindler, habe sich gegen eine erneute Verschiebung des Parteitags ausgesprochen: »Keiner wollte eine weitere Verzögerung.« Dafür gibt es triftige Gründe: In diesem Jahr stehen zahlreiche Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene an, und die beiden sehr wahrscheinlichen neuen Linke-Vorsitzenden – Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler -, die die Partei im Wahljahr führen sollen, warten nun schon seit sieben Monaten auf die Amtsübergabe.

Die digitale Variante sei nicht der Idealfall, »weil gerade bei Vorstandswahlen die Kandidatenvorstellung live, mit Rede und Gegenrede im Saal und vor Publikum viel besser funktioniert«, sagt Schindler. Auch inhaltliche Kontroversen könnten von Angesicht zu Angesicht besser austragen werden. Dennoch wolle man auch unter digitalen Bedingungen für ein größtmögliches Maß an Debatte sorgen und die Delegierten zu Wort kommen lassen. »Es soll keine Showveranstaltung werden« sagte Schindler und verweist auf den jüngst stattgefundenen CDU-Parteitag, auf dem ebenfalls komplett online Vorsitzender und Parteivorstand gewählt wurden. Aufmerksam haben sich die Linke-Organisatoren diesen CDU-Parteitag und auch den kürzlichen Landesparteitag der Berliner Linken, ebenfalls online, angeschaut. Wie bei der CDU werden lediglich der bisherige Vorstand und die Kandidaten an einem Ort in Berlin versammelt sein. Und wie bei der CDU muss das Ergebnis der Online-Abstimmung, die Schindler rechtlich als Vorauswahl bezeichnet, über die Führungsposten in einer Briefwahl rechtsgültig bestätigt werden. Die Delegierten erhalten die dazu nötigen Unterlagen unmittelbar nach dem Parteitag; die Briefwahl kann innerhalb etwa einer Woche abgeschlossen sein.

Ohne Kritik wird der neue Parteitagsmodus nicht bleiben. Stefan Roth Mitglied des Landesvorstands Brandenburg, verwies gegenüber »nd« darauf, dass sein Landesverband den für Februar geplanten Landesparteitag auf Ende April verschoben hat – in der Hoffnung auf eine Entspannung der Coronakrise. Dass die Bundespartei diesem Beispiel nicht folgt, findet er falsch und verweist auf die schlechte Internetanbindung in vielen ländlichen Regionen. »Schließen wir nicht viele weniger internetaffine Genossen aus«, fragt Roth, »und wird es nicht abermals ein Parteitag, der den Willen von Mitgliedern fernab der digitalisierten Metropolräume immer weniger abbildet?«

Diese Probleme sind dem Bundesgeschäftsführer bewusst. Für die Delegierten werde es im Vorfeld technische Einweisungen geben, sie sollen auch Handreichungen erhalten. Zudem könnten Kreisgeschäftsstellen Delegierten anbieten, den Parteitag dort zu verfolgen. Schindler hofft auch auf solidarische Unterstützung von Mitgliedern in den Basisorganisationen.

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