Die Medien und der Terror

Britische Studie untersucht Presse als Botschafter nach Anschlägen

  • Dieter Reinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl in Großbritannien, genau wie in Deutschland die größte Terrorgefahr aus der rechtsextremen Szene kommt, wird im öffentlichen Bewusstsein Terrorismus zumeist nur mit dem Dschihadismus verbunden. Auch die Medien verwenden den Begriff »Terror« eher im Zusammenhang mit islamistischen und migrantischen Attentätern und schrecken bei einheimischen, rechtsextremen Angreifern vor einer derartigen Einordnung oft zurück.

Diese unterschiedliche Verwendung des Begriffs »Terrorismus« liegt auch am Fehlen einer anerkannten Definition. Einigkeit herrscht darüber, dass Terrorismus ein Weg ist, um politische Ziele mittels Gewalt zu kommunizieren und dadurch andere zum Handeln zu drängen. Terrorismus ist somit ein Mittel, um Botschaften zu überbringen. Welche Rolle spielen Zeitungen und andere Medien in der Kommunikationsstrategie von Terroristen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein aktueller Forschungsbericht des sicherheitspolitischen Thinktanks mit Sitz in London Royal United Services Institute (RUSI).

»Würde es Terrorismus geben, wenn Massenmedien nicht darüber berichten?« Diese Frage will der Bericht beantworten, erläuterte Elisabeth Pearson, Dozentin am Forschungszentrum für Cyber-Bedrohungen an der walisischen Universität Swansea, bei dessen Präsentation am 4. März in London.

Die Frage taucht nach Terroranschlägen immer wieder auf. Nach dem bisher letzten derartigen Ereignis in Europa am 2. November 2020 in Wien, bei dem ein IS-Sympathisant vier Menschen tötete, unterzeichneten Zehntausende eine Petition, den Boulevardmedien die staatliche Presseförderung zu entziehen. Zuvor hatten die Zeitungen »Krone« und »Österreich« Videomaterial zum Anschlag online gestellt. Ihnen wurde daher vorgeworfen, dem Attentäter eine Öffentlichkeit geboten zu haben.

Die aktuelle Studie untersucht, inwiefern die britische Presse dem Terrorismus nutzt oder diesem entgegenwirkt. Studienautorin Jessica White erkennt an, dass die Bevölkerung eine unverzügliche und ausführliche Berichterstattung über Terroranschläge wünscht. Die Zeitungen beeinflussten nach Anschlägen die öffentliche Wahrnehmung. Diese Berichterstattung habe für die Gesellschaft positive, aber auch unbeabsichtigte negative Auswirkungen. White schlägt daher vor, dass Redaktionen Verhaltenskodizes erstellen, wie über Terroranschläge berichtet werden soll. Die Medienschaffenden sollten zu diesen und zu ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über terroristische Anschläge regelmäßige Fortbildungen erhalten. Ganz neu sind solche Vorschläge nicht. Seit Jahren werden entsprechende Forderungen und Ideen an die britische Regierung herangetragen und in den Gewerkschaften und anderen Interessenvertretungen diskutiert. Bei Qualitätsmedien sind sie bereits umgesetzt.

Die RUSI-Studie empfiehlt auch eine bessere Kommunikation zwischen Polizei und Redaktionen, um die Situation der jeweils anderen Seite besser verstehen zu können. Ausgeklammert bleibt der Umgang von Journalisten mit den Urhebern politisch oder religiös motivierter Gewalttaten. Der Bericht schweigt darüber, wie mit Informationen und Stellungnahmen der Verursacher von Terror umgegangen werden soll.

Ohnehin haben klassische Medien für Terroristen im Zeitalter von Social Media angesichts ihrer eigenen Kanäle an Bedeutung verloren. So ist etwa der Messaging-Dienst Telegram ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit für dschihadistische Milizen wie Daesh.

Nach einer Erhebung der Zeitschrift »The Economist« ist die Terrorgefahr seit 1992 weltweit gesunken. Dagegen wächst seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA die Angst vor solchen Gefahren stetig. Die Redaktionen der Medien sind nicht für den Terror verantwortlich, doch beeinflussen, wer in der Öffentlichkeit als Terrorist gilt und wie stark diese Bedrohung wahrgenommen wird.

In den vergangenen zwölf Monaten will der britische Geheimdienst drei Terroranschläge auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs verhindert haben. Wie der »Guardian« schreibt, soll es sich dabei um zwei dschihadistische und einen rechtsextremen Anschlagsplan gehandelt haben. Die Zahl der Verhaftungen im Zusammenhang mit Terrorismus ging im Vergleich zum Vorjahr von 282 auf 185 zurück und war damit etwa so niedrig wie zuletzt 2011. Zugenommen hat hingegen die Zahl rechtsextremer Straftäter, die nach dem Anti-Terrorgesetz verurteilt wurden. Die 42 im Jahr 2020 verurteilten rechten Extremisten stellen einen neuen Rekord dar.

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