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HASSLIEBE: Stephan Kaufmann wundert sich über die Biologie des Kapitals

Der Kapitalismus leidet unter den Menschen. Sie werden krank und arbeiten nicht. Um sie vor Pandemien zu schützen, wird das Wirtschaftswachstum verringert. Gebremst wird dieses Wachstum laut Ökonomen auch durch menschliche Ur-Instinkte wie schwache Konsumlaune, Inflationsängste, nachlassende Investitions- und steigende Sparneigung. Zu allem Übel wird der Mensch im Verlaufe seines Lebens auch immer älter, was zum Kapitalismus nicht passt und ihm in der Zukunft ein Riesenproblem beschert: Die Alterung der Gesellschaft wird - neben dem Klimawandel - derzeit als die zentrale Wachstumsbremse des kapitalistischen Globus gekennzeichnet.

Auf diese Weise werden die Menschen auf Verzicht vorbereitet, den sie sich nach Meinung der Wirtschaftsexperten selbst zuzuschreiben haben. Denn sie werden erstens älter, sie bringen zweitens zu wenige Kinder auf die Welt und drittens kaufen sie sich zu wenig Aktien. Denn wenn die Menschen mehr Aktien hätten, dann könnten sie davon im Alter besser leben, auch wenn sie nicht mehr arbeiten können. Dass sie keine Aktien haben, liegt laut Ökonomen weniger an Geldmangel, sondern an Angst, genauer: an Risikoscheu.

»Risikobereitschaft« gilt heutzutage als etwas Gutes und »Risikoscheu« als etwas Schlechtes. Das ergibt zwar keinen Sinn, passt aber zu einem Wirtschaftssystem, das die Menschen allerlei Gefahren aussetzt, die sie nicht beherrschen können. Ökonomen der Universitäten Colorado, Arizona und Texas haben nun eine Gruppe von 5130 Personen nach ihrem Genmaterial wie auch nach ihren finanziellen, psychosozialen und demografischen Eigenarten sortiert und untersucht. Ihr Ergebnis: Die genetische Ausstattung von Individuen bestimmt stark ihre Risikobereitschaft und ihren »Ertragsglauben« und damit ihre Neigung, am Aktienmarkt zu investieren.

So haben laut der Studie Personen mit DNA-Sequenzen, die »mit Lernerfolgen, allgemeiner Auffassungsgabe und Größe (?) assoziiert werden« einen stärkeren Hang zur Börse. Auf der anderen Seite blieben jene Personen der Börse eher fern, deren genetische Anlagen auf »Neurotizismus, depressive Symptome, Herzinfarkte (!) oder koronare Herzkrankheiten« hindeuten. Damit ist klargestellt, dass nicht die Spekulanten zur Neurose neigen, sondern ihre Kritiker.

Wer die richtigen Gensequenzen sein Eigen nennt, kann sich Aktien zulegen und die sogenannte Risikoprämie einstreichen, die laut Ökonomen jenen zukommt, die ein Risiko eingehen. Denn wer sein Kapital investiert, muss belohnt werden. Für eine Form des Kapitals gilt dies allerdings nicht: Humankapital. Wer nur sich selbst und seinen alternden Körper im Angebot hat, der darf auf keine Risikoprämie hoffen - obwohl er der einzige »Marktteilnehmer« ist, der alles einsetzt, was er hat.

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