Freitesten für den Kita-Besuch

Selbsttests sollen der steigenden Inzidenz bei Kindern entgegenwirken

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit reichlich Verspätung ist die Erkenntnis nun auch bei den deutschen Familienministerinnen und -ministern angekommen: Das Coronavirus macht doch keinen Bogen um Kinder. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die sinngemäß lange Zeit immer wiederholt hatte, dass Sars-CoV-2 Kindern verhältnismäßig wenig anhaben könne, erklärte am Dienstag nach Beratungen im »Corona-Kita-Rat«, dass bundesweit »auch in Kitas und auch unter Kita-Kindern wir eine deutliche Zunahme von Infektionen feststellen müssen«.

Tatsächlich ist die Sieben-Tage-Inzidenz in der Altersgruppe bis zu fünf Jahren in allen Bundesländern seit Mitte Februar rapide angestiegen, in Berlin etwa von 29 auf zuletzt 179 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche. Tendenz weiter steigend. Nach Angaben der Berliner Senatsfamilienverwaltung sind dann auch aktuell 165 von 2751 Kitas in der Hauptstadt von Teil- oder Komplettschließungen betroffen. Um ein Umsichgreifen der Schließungen zu vermeiden, hatte Familiensenatorin Sandra Scheeres (SPD) Ende vergangener Woche angekündigt, 500 000 Selbsttests für Kita-Kinder zur »Aufrechterhaltung des eingeschränkten Regelbetriebs« in den Einrichtungen anschaffen zu lassen. Die Tests seien, so Scheeres, »ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Pandemie«.

»Das ist ja erst einmal gut, nachdem die Senatsverwaltung viel zu lange erklärt hat: Haben wir nicht, brauchen wir nicht!«, sagt Roland Kern vom Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS). Bei zwei Tests pro Woche für berlinweit 170 000 Kita-Kinder könne man sich aber schnell ausrechnen, wie lange die für »irgendwann im Laufe des April« versprochene Lieferung reiche. »Mehr als anlassbezogene Tests sind da nicht drin«, so Kern, dessen Verband rund 850 kleine und selbstverwaltete Kitas vertritt.

Wie Roland Kern erinnert auch Kita-Referentin Sabine Radtke vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin daran, dass die vor gut drei Wochen eingeführte Rede vom »eingeschränkten Regelbetrieb« ein Euphemismus ist. »Viele Einrichtungen sind zu fast 100 Prozent ausgelastet«, sagt Radtke, in deren Verband 120 freie Träger organisiert sind, die zusammen mehr als ein Viertel aller Berliner Betreuungsplätze bereitstellen. Ginge es nach Kern und Radtke, sollte Berlin angesichts der Infektionslage den Kita-Betrieb daher auch wieder stärker einschränken. »Es ist wichtig, dass alle Kinder in die Kitas kommen können«, sagt Radtke. Das funktioniere jedoch nur in festen Kleingruppen mit eingeschränkten Betreuungszeiten.

Dass sich die Familienverwaltung in dieser Hinsicht erst mal nicht bewegen wird, ist Radtke bewusst. »Daher ist es generell gut, dass das Land Berlin sich wenigstens beim Testen Gedanken macht.« Das sei schließlich nicht in allen Bundesländern der Fall.

Wohl aus diesem Grund forderte Bundesfamilienministerin Giffey die Länder nun erneut auf, beim Testen »den Fokus nicht nur auf die Schulen zu legen«, sondern auch Kita-Kinder einzubeziehen. Inzwischen seien auch Spucktests zugelassen, die »absolut kindgerecht und zumutbar« seien.

Zugleich geht es auch in einem Land wie Berlin, das ebendiese Tests immerhin schon auf den Weg gebracht hat, in Sachen Kommunikation zum Teil drunter und drüber. Für ordentlich Irritation bei Eltern hatte am vergangenen Freitag beispielsweise die Order der Senatsfamilienverwaltung gesorgt, dass Kinder mit Erkältungssymptomen, Husten oder Schnupfen ab dieser Woche nicht mehr betreut werden können - es sei denn, sie können einen aktuellen negativen Schnelltest vorweisen.

Das Problem: Bei den Kitas ist noch kein einziger Test angekommen und die im Handel (wenn überhaupt) erhältlichen Sets können sich viele Familien schlichtweg nicht leisten. Bleiben die Berliner Teststellen, auf die die Senatsverwaltung dann auch ausdrücklich verwiesen hat. »Diesen Hinweis müssen wir korrigieren«, erklärte das Haus von Senatorin Scheeres an diesem Mittwoch. Denn die beworbenen Teststellen testen in der Regel gar keine Kinder unter sechs Jahren, schon gar nicht Kinder mit Symptomen.

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