Talent ist Interesse

Knut Elstermann hat mit den »Filmstars des Ostens« geredet

Knut Elstermann redet viel – und gut. Immer ein bisschen zu schnell, als wenn er Sorge hätte, dass ihm zu viel auf einmal einfallen könnte. Das wirkt aber nicht fahrig, sondern dynamisch und empathisch. Kann man in Berlin jeden Samstag in der Filmsendung »Zwölf Uhr Mittags« auf radioeins hören. Elstermann weiß viel und will viel wissen. Das kann man angenehm nachlesen, in seinem neuen Buch »Im Gespräch«. Darin sind seine Interviews mit den »Filmstars des Ostens« (Untertitel) versammelt, die er seit dem Untergang der DDR geführt hat.

Heute wird im Westen über die DDR nicht mehr ganz so schlecht gesprochen, denn es gibt da verschiedenes zu bedenken, das ist auch den größten Antikommunisten diffus klar, wenn sie sich nicht lächerlich machen wollen. Lange aber schien es so, als wäre nur die Filmkunst der Defa akzeptabel, als wären die Filme der DDR das Beste, was von ihr übriggeblieben ist. Neben dem Theater, nur kann man sich das heute nicht mehr ansehen. Oder wie es der Filmregisseur Andreas Dresen jovial im Vorwort dieses Buchs ausdrückt: »Filme bleiben. Sie erzählen etwas über die Wirklichkeit eines Landes, das es nicht mehr gibt. Und über die Menschen, die sie gemacht haben.«

Und über die erfährt man bei Elstermann, geboren 1960 in Ostberlin, viel. Wussten Sie, dass Jutta Wachowiak ursprünglich Stenotypistin war? Und Katrin Sass »Facharbeiter für den Fernsprechverkehr«? Als Jutta Hoffmann bei Konrad Wolf vorsprach, hatte sie eine Frisur wie Giulietta Masina in »La Strada« von Fellini. Wolf sagte: »Das ist so ein stilisierter Mist, gehen Sie wieder nach Hause.«

Aber, was heißt schon stilisiert? Hoffmann sieht es so: »Das ist ein einfacher Satz von Bertolt Brecht, um ihn zu bemühen. Talent ist Interesse. Punkt. Mehr ist es nicht. (…) Ich behaupte, dass es ein schöpferischer Vorgang ist, zu spielen. Man muss sich vorher überlegen, was spiele ich, warum spiele ich, mit wem spiele ich, brauchen die Leute das?« Der Dokumentarfilmer Volker Koepp sagt: »Dokumentarfilm (...) nähert sich der Poesie, auch vom Arbeitsprinzip her, von der Montage. Also man hat nicht geplante Einstellungen. Was man hat sind Zeilen, so wie in einem Gedicht. Und die fügt man dann zueinander.«

Elstermann hat nicht nur mit Regieleuten und Schauspieler*innen gesprochen, sondern auch mit der Kostümbildnerin Barbara Braumann oder der Drehbuchautorin Christa Kozik. Mit den Promis sowieso: Frank Beyer, Kurt Böwe, Corinna Harfouch, Manfred Krug, Erwin Geschonneck und dem allseits verehrten Heiner Carow, der für Elstermann in der DDR mit der »Aura des Rebellischen« umgeben war: »Er gehörte in der öffentlichen Wahrnehmung nicht nur zur DEFA , sondern zur Popkultur der DDR«. Der wollte mit »Paul und Paula« einen Film machen, »in den die Leute freiwillig gehen«. Hat auch geklappt: »Das sind einfach Sternstunden und Glücksfälle.«

Elstermanns Buch ist auch so ein Glücksfall. Darüber spricht er heute abend im Berliner »Hofkino« im FMP 1. Und danach wird »Karbid und Sauerampfer« von Frank Beyer gezeigt, auch so eine Sternstunde, von 1963.

Im Gespräch: Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars. Mit einem Vorwort von Andreas Dresen. be.bra Verlag, 352 S., geb.24 Euro.
Buchvorstellung heute, 19 Uhr, im FMP1 (nd-Gebäude), Franz Mehring Platz 1, Berlin

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